Weltgeld und Papiermüll

Der jüngste Wertverlust des Dollar hat dem sowieso schon schlechten Image der globalen Leitwährung weiteren Schaden zugefügt. Zunehmend wird der Euro weltweit als stabilere Alternative zum Dollar in Betracht gezogen. von lutz getzschmann

Nach Daten des Internationalen Währungsfonds richten etwa 40 Länder in Europa, Afrika und dem Mittelmeerraum ihre Währung mittlerweile am Euro aus. Am Dollar orientieren sich zwar noch rund 60 Länder, allerdings mit sinkender Tendenz. Langsam, aber sicher schwenken auch die Golfstaaten um, die bisher einen Großteil ihrer im Ölgeschäft erwirtschafteten Devisenreserven in den USA deponieren. Die Notenbank Kuwaits hob vor kurzem bereits die Bindung an den Dollar auf. Sultan Nasser al-Suweidi, der Notenbankchef der Vereinigten Arabischen Emirate, prophezeite Anfang Januar in einem Interview mit dem Manager-Magazin, dass im Jahr 2015 der Euro die wichtigste Währung der Welt sein werde.

Während er betonte, dass es am Golf ein wachsendes Interesse gebe, einen größeren Teil der Ölerträge in der Eurozone zu investieren, beklagte er, dass die europäischen Regierungen und Finanz­märkte dieses Vorhaben nicht unterstützen würden. »Natürlich bekommen wir immer wieder gesagt, wir seien willkommen, aber das ist nur Gerede«, sagte al-Suweidi. In der Eurozone gibt es offenbar starke Ängste vor einem Devisen­strom, der die europäischen Volkswirtschaften anheizen und zu einer Inflation führen könnte. Während die USA nach wie vor dankbar für ausländische Staatskredite sind, fürchten sich die Europäer immer noch davor, zum Schuldner anderer Mächte und Staatsfonds zu werden.

Auch die Funktion des Dollars als dominierender Handelswährung ist von Bedeutungsverlust bedroht. Schätzungen gehen davon aus, dass knapp 50 Prozent des Welthandels in der US-Währung abgerechnet werden. Doch dies könnte sich schon bald dramatisch ändern. Wie auf der Opec-Konferenz, die im November in Riad stattfand, deutlich wurde, verlieren die Öl exportierenden Länder allmählich das Vertrauen in den US-Dollar. Weil Ölgeschäfte bisher weltweit in Dollar abgerechnet werden, schmälert der dramatische Wertverlust der amerikanischen Währung die Gewinne der Ölstaaten.

Während der Dollar-Anteil an den weltweiten Devisenreserven seit 1999 von 71 auf 66 Prozent sank, ist der Anteil des Euro inzwischen auf 26 Pro­zent gestiegen. Devisenexperten der Deutschen Bank schätzen, dass der Euro-Anteil bis 2010 auf 30 bis 40 Prozent steigen wird. Ob dies eine seriöse Prognose ist oder nicht, lässt sich derzeit nur schwer einschätzen. Obwohl viele bürgerliche Wirtschaftsjournalisten und Finanzexperten den Euro mittlerweile zum kommenden Weltgeld erklären, heißt das noch lange nicht, dass diese Aussagen auch einem realen ökonomischen Trend entsprechen.

Tatsache ist, dass der US-Dollar als Anlage- und Reservewährung immer noch dominiert. Doch bereits seit einem Jahr ist es der Euro, der weltweit als häufigste Bargeldwährung benutzt wird. Ende 2006 waren knapp 600 Milliarden Euro und nur 579 Milliarden Dollar im Umlauf. Dieser Trend dürfte sich in den vergangenen zwölf Monaten noch verstärkt haben.

Der Dollar steht also unter Druck. Der schwache Wechselkurs ist dabei sicherlich ein Symptom. Zugleich relativiert er jedoch in einem gewissen Ausmaß auch die Staatsverschuldung der USA. Kaum jemand erinnert sich außerdem daran, dass es in der Geschichte des US-Dollars immer wieder zu Abwertungen kam.

Die ursprüngliche internationale Leitwährung im 18. und 19. Jahrhundert war das englische Pfund Sterling. Sein Wert war immer durch Silber oder Gold gedeckt und wurde über einen langen Zeitraum durch intensive Bemühungen der britischen Regierung so stabil wie möglich gehalten. Ähnlich wie heute die meisten Staaten Dollar-Reserven besitzen, wurde damals das staatliche Vermögen in Pfund angelegt. Durch die enormen Kosten des Ersten Weltkriegs gerieten die Briten derart in Geldnot, dass sie ihren Goldstandard kündigen mussten.

Das Pfund erlitt dadurch so starke Wertverluste, dass die britische Regierung bereits 1918 mit 850 Millionen Pfund bei der US-Regierung verschuldet war. Die durch den Zweiten Weltkrieg entstandenen Kriegskosten sorgten für einen weiteren Wert- und Bedeutungsverlust des Pfunds; eine Entwicklung, in der sich der Niedergang des britischen Empires widerspiegelte.

In der Geschichte des amerikanischen Papierdollars spielte die Golddeckung von Anfang an keine besondere Rolle. Erst 1787 wurden die ersten Münz-Dollars in Kupfer und Silber geprägt. Eine ebenfalls geprägte Zehn-Dollar-Goldmünze konnte sich nicht durchsetzen. Die US-Regierung war aber bereits Ende des 18. Jahrhunderts nicht zimperlich, wenn es darum ging, den Kurs der Währung zu politischen Zwecken zu manipulieren. 1775 gaben die »Vereinigten Kolonien« ihre ersten Banknoten im Wert von insgesamt 200 Millionen Dollar aus. Durch eine Abwertung im März 1780 wurden von den 200 Millionen Dollar Staatsschulden 120 Millionen getilgt. Nach einer erneuten Abwertung waren 1790 von den ursprünglich 200 Millionen Dollar Staatsverpflichtungen nur sechs übrig blieben, die in verzinste Schuldscheine verwandelt wurden.

Erst nach dem amerikanischen Bürgerkrieg erhielt der Dollar allmählich internationale Bedeutung. Es dauerte jedoch bis zum Bretton-Woods-Abkommen 1944, bis die US-Währung zum anerkannten Weltgeld wurde. Noch John Maynard Keynes hatte bei auf Konferenz die Einführung einer internationalen Kunstwährung vorgeschlagen, was schon deshalb nicht durchsetzungsfähig war, weil zu einer starken Währung nun mal auch ein einheitlicher Wirtschaftsraum sowie ein handlungsfähiger Staatsapparat gehört, der das Vertrauen in das Zahlungsmittel zur Not auch mit militärischen Mitteln schaffen kann.

Mit Bretton Woods konnte sich die US-Regierung nun nach Belieben verschulden; wurde der Dollar knapp, sorgte die US-Notenbank einfach für Nachschub. Dafür versprach sie, internationale Dollar-Guthaben jederzeit in Gold umzutauschen. Das konnte allerdings nur funktionieren, solange die USA ihre Geldpolitik nicht zu offensichtlich an nationalen Interessen ausrichteten. Wie im Fall des britischen Pfund war es ein Krieg, der die Leitwährung ins Straucheln brachte. Zur Finanzierung des Vietnam-Kriegs druckte die US-Regierung so viele Dollar-Noten nach, dass sie 1971 verkünden musste, Dollars nicht mehr in Gold einlösen zu können. Daraufhin kündigten die Regierungen der EG 1973 das Abkommen und gaben ihre Wechselkurse frei. Nach gerade einmal 25 Jahren war Bretton Woods als Regulierungsinstanz einer von den USA dominierten Weltwährungspolitik erledigt. Seitdem herrscht das freie Spiel der Kräfte, und der Dollar konnte sich durch die stabilen amerikanischen Wirtschaftsverhältnisse und die weltweite militärische Macht der USA durchsetzen.

In den vergangenen Jahren hat die Regierung von Präsident George W. Bush die Staatsverschuldung auf neun Billionen Dollar ansteigen lassen, um militärische Aufrüstung und Wahlgeschenke an die gehobene Mittelklasse und die sie unterstützenden Unternehmerlobbys zu finanzieren. Dadurch war es möglich, die Konjunktur der US-Wirtschaft jahrelang am Laufen zu halten. Doch die Grenzen des Machbaren scheinen erreicht zu sein. Die potenziellen Präsidentschaftskandidaten beider großen Parteien haben eine Kehrtwende in der Haushaltspolitik angekündigt. Die Angst wächst, dass angesichts der Krise des Dollars eine Schuldenblase platzen könnte, die die Führungsmacht USA innerhalb kurzer Zeit zum Implodieren bringen würde.

Eine weitere radikale Entwertung des Dollars würde zwar die Staatsschulden belanglos machen, zugleich aber Millionen von Jobs kosten und die US-Wirtschaft in wesentlichen Sektoren in den Ruin und die voraussichtlich sich anschließende Bedeutungslosigkeit treiben.

Einer der wichtigsten Gläubiger der US-Regierung ist China, dessen Devisenreserven in Höhe von etwa 1,4 Billionen Dollar größtenteils in den USA angelegt sind. Zwar kündigte die chinesische Regierung kürzlich an, diese Devisen stärker in Euro umschichten zu wollen, um ihr Risiko zu begrenzen. Dies kann jedoch nur nach und nach geschehen, denn ein größerer Kapitalabfluss aus den USA könnte den Wertverfall des Dollars enorm beschleunigen und damit auch die chinesischen Devisenreserven in Papiermüll verwandeln. Vorerst bleibt Chinas Wirtschaft also an den Dollar gebunden.

Neben der Frage, ob der Dollar oder eventuell irgendwann der Euro die Währung ist, in der im Weltkapitalismus die wesentlichen Geschäfte abgewickelt werden, gäbe es da allerdings noch eine dritte Variante. Die chinesische Regierung und Notenbank geraten immer stärker unter Druck, den aus Gründen der niedrigen Exportpreise künstlich unterbewerteten Yuan zu verteuern. Täten sie dies, würde damit zwar das chinesische Wirtschaftswachstum gedämpft. Zugleich jedoch hätte die chinesische Währung die Möglichkeit, sich in einer zunehmend multipolaren kapitalistischen Weltwirtschaft neben US-Dollar, Euro, Yen und britischem Pfund als weiterer wichtiger Devisenpool zu etablieren. Zumindest würde diese neue Unübersichtlichkeit die realen Kräfteverhältnisse abbilden.