Berlin Beatet Bestes. Folge 28: Pater Leppich und andere religiös motivierte Musik

Lenin lebt in Hamburg

Berlin Beatet Bestes. Folge 28. Pater Leppich spricht auf der Reeperbahn.

Von all den bekloppten Schallplatten, die ich sammele, sind die religiösen die beklopptesten. Trotzdem habe ich auf meinem Blog sogar eine eigene Kategorie für religiöse Platten eingerichtet, sie nehmen innerhalb der Oberkategorie »Incredibly Strange Music« einen besonderen Platz ein. Weil diese Platten nicht aus kommerziellen Gründen produziert wurden, gehören sie zu den, im wirklich strengsten Sinne, unabhängigen Veröffentlichungen. Sie wurden von Gläubigen produziert, um den Glauben zu verbreiten. Die transportierten Inhalte geraten bei diesen Aufnahmen oft mit der musikalischen Qualität in Konflikt. Die meisten Sachen sind einfach schlecht. Schlimmer noch: langweilig.
Dabei gibt es natürlich auch religiös motivierte Musik, die mich inspiriert. Ich liebe zum Beispiel den treibenden Gospel-Rock’n’Roll von Sister Rosetta Tharpe. Das ist solch schöne Musik, da will ich fast schon in die Kirche gehen.
Aber die wirklich schlechten Platten, die ich meine, stammen allesamt aus Deutschland. Von Leichtigkeit und sprühender Leidenschaft ist da nichts zu spüren. Allerdings bestechen diese Platten durch höchste Wunderlichkeit. Günter Tesch, ein ehemaliger Beatmusiker, der auch ein Buch über seine Star-Club-Zeit geschrieben hat, singt in kauzigster Ned-Flanders-Manier angebeatete Bibeltexte. Uschi Sachse, eine singende Ex-Alkoholikerin, beschreibt, wie sie von der Sucht wegkam und zu Gott fand. Kaplan Riedel trägt, begleitet von einer Stuttgarter Jazz-Band, die traurigsten Lieder vor, die ich je gehört habe. Das Feld seltsamer Musik ist im religiösen Bereich immer noch weit.
Auch Pater Leppich lehnt Jazzmusik nicht ab. Er meint es gut und spricht viel über Liebe, aber sein oberschlesisch eingefärbter Dialekt klingt hart und unbarmherzig, seine Stimme regelrecht beängstigend. Die Lustigkeit speist sich allein aus dem Umstand, dass er ein vehementer Antikommunist ist:

Meine Damen und Herren, glauben Sie an eine Totenbeschwörung? Lachen Sie nicht, so etwas gibt es. Ich will Sie heute an das Grab eines unheimlichen Toten führen. Er liegt im Mausoleum von Moskau. Hunderttausende müssen vor dieser Leiche vorbeidefilieren. Ja, du unheimlicher Lenin (Leppich nennt ihn »Leh-niihn«; A.M.), dein Körper ist am Verwesen, aber dein Geist, der lebt noch fort. In Moskau, nein, auch in Hamburg und in Paris. Steh’ auf aus dem Grab und schau dir die Menschen an, die du mit deinem seelischen Leichengift angesteckt hast. Sagen Sie also nicht, dass der Kommunismus und der Geist eines Lenin tot in Deutschland sind. Täuschen Sie sich nicht. Hier, diese Reeperbahn ist doch eine traurige Visitenkarte. Eine Visitenkarte für den Materialismus, der die Religion (sprich: Rell-john; A.M.) erstickt, die soziale Sattheit züchtet und den sexuellen Anarchismus propagiert. Karl Marx hat gesagt, Religion ist Opium des Volkes. Und Lenin hat den Satz nachgebetet. Dieser Satz, meine Herren, spukt in den Köpfen der Intellektuellen und wird von den Spießern in Deutschland praktiziert!