David Irving will nach Berlin kommen

Gekommen, um zu leugnen

Der Brite David Irving ist einer der bekanntesten Holocaust-Leugner. 20 Jahre hatte er in Deutschland Einreiseverbot. Nun möchte er im September in Berlin auftreten.

Für den Preis von 91 Euro wird »ein einmaliges Erlebnis« versprochen: ein »Vortrag David Irvings mit anschließendem Abendessen im Herzen Berlins«. Gesprochen werden soll über »freedom of speech« und die Gefahr des Schreibens über »real history«. Als Termin wird der 10. September angekündigt, losgehen soll es um 18.30 Uhr. Ob diese Veranstaltung wie geplant stattfinden wird, steht jedoch in den Sternen. Die Branchenvereinigung des deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) hat ihre Mitglieder dazu aufgerufen, Irving keine Räume zu überlassen und ihm kein Hotelzimmer zu vermieten. Die Dehoga ist zuversichtlich, dass es gelingt, eine Hotelübernachtung zu verhindern. Bei einer Raumanmietung in einer Kneipe könnte das schon schwie­riger werden.
Irving selbst scheint jedoch davon auszugehen, in Berlin sprechen und übernachten zu können. Der britischen Zeitung The Local sagte er: »Ich habe viele gute Freunde in Berlin.« Zudem werde er »mit Angeboten überschwemmt«, mit Ein­ladungen von Hotels und Privatpersonen. Wo er die Abendveranstaltung ausrichten möchte, wollte er nicht preisgeben.

Mit den geschichtsrevisionistischen Ansichten, die Irving vertritt, sorgt der mittlerweile 75jährige schon lange für Ärger und beschäftigt immer wieder die europäischen Gerichte. Nach Information des antifaschistischen Magazins Searchlight musste Irving schon die Universität wegen »faschistischer Aktivitäten« verlassen, bevor er einen Abschluss machen konnte. Deshalb sei es auch falsch, ihn als Historiker zu bezeichnen, wie es in der Presse häufig geschehe, sagt Gerry Gable von Searchlight im Gespräch mit der Jungle World. Auch in der Berichterstattung über den anstehenden Besuch in Berlin wird Irving oft als Historiker tituliert.
Nach dem Abbruch seines Studiums an der University of London zog Irving nach Deutschland und arbeitete ein Jahr lang als Stahlarbeiter bei Thyssen. Anfang der sechziger Jahre begann er Artikel, Biographien und Bücher über den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus zu ver­öffentlichen. Einige wurden zu Bestsellern und erschienen auch bei renommierten deutschen Verlagen. 1964 schrieb er eine Artikelserie für die Zeitschrift Neue Illustrierte, 1967 veröffentliche der Spiegel vorab Auszuge aus Irvings Buch »Der Traum von der deutschen Atombombe«. 1963 erschien sein Buch »Der Untergang Dresdens« über die Bombardierung der Stadt im Februar 1945, von einigen Medien und Historikern wurde es zunächst wohlwollend rezensiert. Irving beruft sich dort auf bisher unerschlossene Dokumente und spricht von 250 000 Todesopfern. Diese Zahl wurde bereits in den siebziger Jahren widerlegt, der »Opfermythos Dresden« hielt sich dennoch hartnäckig. Im Jahr 2004 beauftragte die Stadt Dresden eine Historikerkommission, die vier Jahre später Ergebnisse präsentierte. Im Bericht nennt die Kommission die Zahl von 18 000 Todesopfern, die nachgewiesen werden konnten. Schon 1966 stand der Vorwurf im Raum, Irving hätte Quellen gefälscht. Dennoch galt er in der Öffentlichkeit bis in die achtziger Jahre als provokanter, aber durchaus seriöser Autor.

1977 behauptete Irving in seinem Buch »Hitler’s War«, der Holocaust sei von Reinhard Heydrich und Heinrich Himmler ohne Hitlers Wissen und Zustimmung vorbereitet worden, später leugnete er die Existenz von Gaskammern in Auschwitz. Zu Beginn der achtziger Jahre schloss er sich dem internationalen Milieu der »Revisionisten« an, die die Verbrechen des Nationalsozialismus anzweifeln oder sogar vollständig leugnen. Ziel der Revisionisten ist es, den Nationalsozialismus zu rehabilitieren. 1984 begann Irving auch damit, sich als Redner bei der rechtsextremen Deutschen Volksunion zu betätigen.
Am 21. April 1990 trat Irving im Münchner Löwenbräukeller auf. Die von Neonazis organisierte Veranstaltung fand unter dem Motto »Wahrheit macht frei« statt. 800 Besucher fanden sich ein, um dem »Starredner« Irving zu folgen, darunter neben jungen Neonazis auch ältere Herren, die stolz auf ihre Vergangenheit bei der SS waren. Bei dieser Veranstaltung in München sagte Irving, dass die in Auschwitz gezeigte Gaskammer eine Attrappe für Touristen sei. Daraufhin verurteilte ihn 1993 das Münchner Landgericht zu einer Geldstrafe, die Münchner Ausländerbehörde wies ihn aus. 1989 wurde Irving in Österreich wegen Leugnung des Holocaust verurteilt, im November 2005 wurde er während eines Besuchs in Wien vorübergehend festgenommen. Im Oktober 2012 hob das Münchner Landgericht nach einer Klage Irvings das Einreiseverbot, das ursprünglich bis 2022 gelten sollte, auf. Seit dem 21. März darf ­Irving wieder nach Deutschland reisen.

Im Jahr 2000 kam es vor dem Londoner High Court, dem höchsten englischen Zivilgericht, zu einem Verfahren, das Irving angestrengt hatte. Er hatte die US-amerikanische Historikerin Debo­rah Lipstadt und ihren britischen Verlag Penguin Books wegen Beleidigung, übler Nachrede und Geschäftsschädigung angezeigt. Lipstadt hatte sich in ihrem Buch »Denying the Holocaust« unter anderem zu Irving geäußert. Das Verfahren dauerte 32 Tage, Lipstadts Verteidigung trat mit einer Riege renommierter Holocaust-Forscher wie Christopher Browning, Peter Longerich, Yehuda Bauer und Richard J. Evans an, die Irvings gesamtes Werk fachlich auseinandernahmen. Das Urteil des ­Gerichts fiel für Irving vernichtend aus: Irving sei ein rechtsextremer, pro-nazistischer Polemiker, Antisemit und Rassist, der sich mit Rechtsextremisten zusammentue, um den Neonazismus zu fördern.
Nach dem verlorenen Prozess war Irving finanziell ruiniert. Informationen von Searchlight zufolge gingen auch große Teile der britischen extremen Rechten zu ihm auf Distanz. Zu Irvings Veranstaltungen erschienen nie mehr als 100 Zuhörer, im Durchschnitt nehmen 40 Personen teil. Mittlerweile bietet Irving, um seine Kasse aufzubessern, Reisen für 3 000 Dollar durch Polen an. Besucht werden Konzentrationslager, Hitlers »Wolfsschanze« und das Hauptquartier von Himmler. Auch änderte er seine Strategie. Verklagte er bisher Kritiker wie Lipstadt, tritt er nun umso energischer für »free speech« ein.
Im Jahr 2007 erregte Irving noch einmal große Aufmerksamkeit. Der konservative Debattierclub Oxford Union hatte Irving und den weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko eingeladen. Die Veranstaltung war auf Skandal angelegt. Lukaschenko erhielt keine Einreisegenehmigung, stattdessen sprang Nick Griffin, der Vorsitzende der rechtsextremen British National Party, ein.
In Oxford wurde über die Grenzen der Meinungsfreiheit debattiert. Während Antifaschisten und Gewerkschaftsaktivisten sich auf Demons­trationen gegen den Auftritt wandten, gab es auch Studierende, die für Redefreiheit demonstrierten. Auf einem Banner trugen sie das Zitat von Voltaire vor sich her: »Ich lehne alles ab, was Sie sagen, aber ich werde Ihr Recht, es zu sagen, mit meinem Leben verteidigen!« Zu ihnen gesellten sich Hinduisten, die sich gegen die Vereinnahmung ihres Hakenkreuzes einsetzen. Um die Situation noch grotesker zu machen, erschien Irving in Sträflingsuniform mit einer Eisenkugel am Bein und Griffin verglich sich mit Kopernikus.
Einen anderen Umgang mit Irving wählte zwei Jahre später der Moderator John Safran. Er baute ein Aufnahmestudio mit einer Camping-Gas­flasche und einem Schlauch in eine Gaskammer um. Während des Interviews mit Irving verließ Safran den Raum, verriegelte das Studio mit einem Besen unter der Türklinke und ließ Gas ein. Dann klopfte er an die Scheibe und rief Irving zu: »Ich vergase Dich jetzt und leugne das dann.«