Nationalchauvinistische Proteste in Italien

Fascismo della casa

Italienische Rechtsextremisten nutzen die nationalchauvinistischen Tendenzen der Forconi-Protestbewegung.

Unter den Arkaden, die die Piazza Vittorio umschließen, verkaufen Straßenhändler eine Woche nach dem Fest noch immer bunt blinkenden Weihnachtsnippes. An den Säulen hinter ihren improvisierten Ständen kleben Plakate der nahe­gelegenen Casa Pound (Jungle World 9/2013). Das Hausprojekt der selbsternannten »Faschisten des dritten Jahrtausends« liegt nur eine Ecke weiter, in einer von chinesischen Textilgeschäften gesäumten Querstraße. Regelmäßig finden in der Casa Pound Veranstaltungen statt, auf denen Rechtsintellektuelle ihre Ideologie propagieren, Ende November war eine Delegation der griechischen Kameraden von Alba Dorata zu Gast. Gemeinsam ist den Neofaschisten ihr Hass auf die Europäische Union, die sie mit antisemitischem Unterton als »finanztechnokratische Konstruktion zur Versklavung der europäischen Völker« ablehnen.
»Lasst uns die blauen Fetzen verbrennen«, lautet ein Aufruf der Casa Pound, dem Anfang Dezember eine Gruppe junger Männer, die Gesichter in den italienischen Nationalfarben maskiert, Folge leistete. Die Neofaschisten marschierten zur Vertretung der EU in Rom und rissen die Europa-Flagge herunter, um das Gebäude wieder zu »nationalisieren«. Simone di Stefano, Vizepräsident der Casa Pound, wurde in einem Eilverfahren wegen der Entwendung der Fahne verurteilt, wofür ihn seine Anhängerschaft auf den einschlägigen Websites der rechten Szene zum Helden stilisiert: »Seine Nation zu lieben, ist kein Verbrechen.«
Von Anfang an beteiligten sich Casa Pound und die rechtsextreme Splitterpartei Forza Nuova an den in diesen Wochen immer wieder aufflammenden Demonstrationen der Forconi, deren Enblem, die Mistgabel, den Zorn auf die Regierung symbolisiert. Die Neofaschisten wissen die aggressiven Ressentiments für sich zu nutzen. Die in der anhaltenden Wirtschaftskrise von sozialem Abstieg und Verarmung bedrohte Mittelschicht tendiert ohnehin seit jeher zur politischen Rechten, in der Wut auf die steigende Steuerlast und den von der EU verordneten Spar­zwang werden die Parolen der diffusen Protestbewegung offen nationalistisch. »Wir sind das italienische Volk«, brüllen Kleinunternehmer, Handwerker, Landwirte und Arbeitslose.

Erst als einige Demonstranten in Analogie zu Mussolinis Machtergreifung zum »Marsch auf Rom« aufriefen und von einem Militärputsch als Ausweg aus der Misere des Landes phantasierten, spaltete sich die Mistgabel-Bewegung. Mario Ferro, der sizilianische Begründer, warnte vor einer »staatsfeindlichen Unterwanderung«. Danilo Calvani, ein Mittelständler aus dem Latium, zeigt dagegen weniger Berührungsängste mit den Neofaschisten. Er stört sich nicht daran, dass Casa Pound in der Hauptstadt den Protest der Forconi unterstützt. In Norditalien wird die Bewegung von zahlreichen enttäuschten Parteigängern der rassistischen Lega Nord getragen.
Zwar ist es den Forconi entgegen der eigenen Propaganda bisher nicht gelungen, Massen zu mobilisieren und durch Blockaden Italien lahmzulegen. Aber die nationalistische Rhetorik und die neofaschistische Choreographie, die bisher vornehmlich aus den Fußballstadien bekannt waren, werden nun landesweit auf die Straße getragen. Nachdem Silvio Berlusconis Rechtskoalitionen zwei Jahrzehnte lang die Aufwertung des historischen Faschismus betrieben haben, erfahren die nationalistischen Protestformen der Forconi breite gesellschaftliche Zustimmung. Der antifaschistische Konsens, der die italienische Nachkriegsgesellschaft begründete, ist endgültig angekündigt.

Die verbleibende Linke vermag der rechtspopulistischen Hegemonie nicht entgegenzuwirken. Anstatt sich trotz aller berechtigten Kritik an der deutsch-europäischen Spardoktrin von den nationalchauvinistischen Tendenzen der Proteste zu distanzieren, werden sie als »Ambivalenzen« ­einer sich selbst organisierenden Bewegung beschönigt. Der popolo bleibt in der linken Tagespresse eine positive Bezugsgröße. Doch die Wut, mit der das »Volk der Forconi« heute die Mistgabel gegen die römische Regierung und die Brüsseler Kommission erhebt, unterscheidet sich nicht vom Hass, mit dem die neofaschistischen Mitstreiter seit Jahren gegen Migrantinnen und Migranten hetzen.