Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Das bisschen Belästigung

Sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz sind nach wie vor weit verbreitet. Dabei mangelt es nicht an Gesetzen, die dies verhindern sollen.

Wer den Tod von Leonard »Mr. Spock« Nimoy zum Anlass nimmt, sich dieser Tage wieder einmal die Originalfolgen von »Star Trek« anzusehen, wird einen ganz bestimmten Impuls nur schwer unterdrücken können: nämlich den, dem Obermacho Captain Kirk in ungefähr jeder zweiten Szene mal kräftig eine reinzuhauen. Rationalere Naturen könnten vielleicht eine Strichliste anlegen, wie oft das Verhalten des Chefs der Enterprise den Tatbestand der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz erfüllt.
Nun käme heutzutage kein Serienautor mehr auf die Idee, so einen übergriffigen Macker als Männlichkeitsideal hinzustellen – doch auch schon in den sechziger Jahren ging das Konzept nicht so ganz auf; die Macher haben wohl nie wirklich begriffen, warum sich die Zuschauerinnen stattdessen reihenweise in den smarten Gentleman Mr. Spock verknallten. Man kann das als Zeichen sehen, dass die Menschheit mittlerweile doch ein Stück vorangekommen ist.
Dass sich in den vergangenen 50 Jahren dann aber doch nicht so viel geändert hat, zeigen die Ergebnisse einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Nicht nur sind demnach sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz noch immer weit verbreitet, viele Befragte sind zudem unzureichend über ihre Rechte informiert und verstehen belästigendes Verhalten häufig nicht einmal als solches. Die generelle Frage, ob sie am Arbeitsplatz schon einmal belästigt worden seien, bejahten 17 Prozent der Frauen und sieben Prozent der Männer. Fragten die Interviewer hingegen gezielt nach Handlungen, die vom Gesetzgeber klar als sexuelle Belästigung definiert sind – beispielsweise »unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten« oder »sexuell bestimmte körperliche Berührungen« –, gaben 49 Prozent der Frauen und interessanterweise sogar 56 Prozent der Männer an, Derartiges im beruflichen Umfeld schon einmal erlebt zu haben. Hinzu kommt, dass 70 Prozent der Befragten keine Ansprechperson im Betrieb kannten, an die sie sich in solchen Fällen wenden könnten. 81 Prozent war nicht bekannt, dass die Arbeitgeber verpflichtet sind, ihre Beschäftigten aktiv vor sexueller Belästigung zu schützen.

Wie weit die Betriebe dieser Verpflichtung tatsächlich nachkommen, geht aus der Studie nicht hervor. Man darf aber annehmen, dass es sich bei der Kündigung eines Mechanikers, über die das Bundesarbeitsgericht im Februar zu entscheiden hatte, um einen eher seltenen Fall handelt. Der Mann hatte im Jahr 2012 einer Reinigungskraft an die Brust gegriffen und dies seinem Arbeitgeber gegenüber auch selbst zugegeben. Er wurde daraufhin fristlos entlassen.
Die höchsten Arbeitsrichter des Landes verstehen unter der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aber offensichtlich etwas anderes. Sie hielten dem Gekündigten zugute, dass dieser auf den Protest der Frau hin sofort von ihr abgelassen habe, und überhaupt habe diese möglicherweise zuvor auch gewisse Signale ausgesandt. Zudem habe der Kläger sich als langjähriger Mitarbeiter der Firma nie zuvor etwas zuschulden kommen lassen. Gemäß dem Motto »Einmal ist keinmal« entschied das Gericht, eine Abmahnung hätte ausgereicht, und hob die Kündigung auf.

Die besten Antidiskriminierungsgesetze sind also nicht viel wert, wenn diejenigen, die sie anzuwenden haben, ebenso ignorant gegenüber ihrer eigenen sexistischen Grundeinstellung sind wie der Rest der Gesellschaft zumeist auch. Wie viel in dieser Hinsicht noch zu tun ist, zeigte dieser Tage beispielsweise die Welt, die den Artikel »Die fünf dümmsten Argumente gegen die Frauenquote« nicht anders zu bebildern wusste als mit einem Spalier wohlgeformter Waden. Aber vielleicht ist die Menschheit bis zum Jahr 2265 ja doch ein bisschen weiter.