Rechtsextremisten im Polizeidienst

Kameraden auf Streife

Nach der Teilnahme an einer Demonstration eines brandenburgischen Ablegers von Pegida muss sich ein Berliner Polizist wegen rechtsextremer Meinungsäußerungen in einem dienstrechtlichen Verfahren verantworten. Die politische Betätigung des Beamten ist kein Einzelfall.

Anfang des Jahres folgten etwa 170 Personen dem Aufruf der »Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung« (Bramm), in Brandenburg an der Havel zu demonstrieren. Der damalige Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende der Republikaner, Heiko Müller, hatte die Veranstaltung angemeldet. Die offensichtliche Steuerung des Protestes durch eine politische Partei stieß bei den Dresdner Organisatoren von Pegida auf eine gewisse Ablehnung.

Trotzdem sind die ideologischen Übereinstimmungen nicht zu übersehen. In ihrem 13-Punkte-Papier setzen sich die Bramm genau wie Pegida für »die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten europäischen Kultur« und »für schnelle Verfahren zur Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber und Migranten« ein. Selbstverständlich sind auch die Brandenburger für Meinungsfreiheit »gegen ›Genderwahn‹ und die zwanghafte Einführung einer politisch korrekten Sprache« und fordern »die Abschaffung der Frühsexualisierung unserer Kinder«. Beworben wurde die Demonstration in den sozialen Netzwerken auch von lokalen NPD-Verbänden. Der Landesverband der Alternative für Deutschland (AfD) dagegen distanzierte sich von der Demonstration. Der brandenburgische Landesvorsitzende Alexander Gauland äußerte sich »sehr skeptisch« über die Organisatoren und ihr Umfeld.
Vor kurzem wurden Journalisten des Rundfunks Berlin-Brandenburg darauf aufmerksam, dass ein in Berlin tätiger Polizist und brandenburger Kreisvorstandsmitglied der AfD an dieser Demonstration teilgenommen hatte. Norman Wollenzien, der nach Informationen der Märkischen Allgemeinen Zeitung im brandenburgischen Rathenow wohnt, hatte in Brandenburg an der Havel ein Schild hochgehalten mit der Aufschrift »Antirassismus, Weltoffenheit, Vielfalt sind Kennwörter für weißen Genozid – Europa den Europäern«. Dem Verfassungsschutz zufolge entstammt diese Parole dem neurechten Milieu. Auf seinem Privatauto bezieht Wollenzien nach Angaben der Potsdamer Neuesten Nachrichten eindeutig Stellung: Dort sollen sich Aufkleber der beiden rechtsex­tremen Organisationen Identitäre Bewegung und Europäische Aktion befinden.
An der Demonstration nahmen neben Wollenzien auch mehrere Kreistagsabgeordnete und Stadtverordnete der NPD teil, wie etwa Michel Müller aus Rathenow. Mit Maik Eminger war auch eine Führungsfigur der »Freien Kräfte« in Brandenburg anwesend. Der 1996 wegen Totschlags an einem Punk verurteilte Neonazi Sascha Lücke lief ebenfalls mit. Der Kreisverband Havelland der AfD distanzierte sich mittlerweile von dem Polizeibeamten. Schon kurz nach der Demons­tration habe er deutlich gemacht, »das geht nicht so«, sagte der Kreisvorsitzende Kai Gersch Ende Oktober den Potsdamer Neuesten Nachrichten. Er habe Wollenzien angedroht, ihn im Wiederholungsfall »persönlich aus der Partei« zu werfen. Zugleich sagte Gersch der Zeitung, es bestehe ohnehin seit Monaten kein Kontakt zu dem Polizisten, dieser sitze nur noch formell im Kreisvorstand. Die Berliner Polizei ermittelt wegen der Medienberichte gegen Wollenzien. »Es wird jetzt geprüft, ob der Beamte gegen dienstrechtliche Vorschriften verstoßen hat«, bestätigte ein Polizeisprecher. Bisher habe man nichts vom politischen Aktivismus des Mannes gewusst.

Der Polizist ist aber dem Tagesspiegel zufolge »seit Jahren als knallharter, extremer Rechtsausleger bekannt«. Vor sechs Jahren soll er wegen rassistischer Äußerungen aus dem Spezialeinsatzkommando (SEK) in den Schutz- und Streifendienst strafversetzt worden sein. Auch nach seiner Versetzung soll Wollenzien weiterhin mit ähnlichen Sprüchen im Dienst aufgefallen sein, so etwa zur »Stärkung des völkischen Gedankens« und zur »Reinhaltung der nordischen Rasse«. Seine Dienststelle war der Abschnitt 23 im Berliner Bezirk Spandau. Dort war er bislang stellvertretender Wachenleiter und koordinierte unter anderem die Einsätze. Die Berliner Polizei bestätigte, dass es zwar »nicht direkt« die Aufgabe von Wollenzien gewesen sei, »sich um die Belange von Flüchtlingen zu kümmern«. Doch im Zuge seiner Tätigkeit seien »auch Kontakte zu Flüchtlingen möglich«. Der Innenexperte der Fraktion der Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus, Christopher Lauer (parteilos), wirft der Polizei vor, die Gefahr rechtsextremer Gesinnung bei ihren Beamten zu unterschätzen. Er fordert Maßnahmen, mit denen Rechtsextreme intern frühzeitig identifiziert werden können. »Wer unsere demokratische Ordnung ablehnt, darf nicht das Gewaltmonopol des Staates durchsetzen«, so Lauer.
Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die meisten Verfahren wegen Volksverhetzung gegen Polizisten werden eingestellt. In den vergangenen fünf Jahren ermittelte das Berliner Landeskriminalamt in vier Fällen gegen Beamte wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. In zwei Fällen gab es Disziplinarverfahren. Diese wurden eingestellt, eines gegen Geldzahlung. Ein weiterer Beamter hatte über eine Whatsapp-Gruppe ein rechtsextremes Weihnachtsbild an seine Kollegen geschickt: Adolf Hitler als Weihnachtsmann samt Spruch »Ho-Ho-Holocaust«, ein Weihnachtsbaum vor Hakenkreuzfahne und »Sieg Heil«. Der Mann wurde zu einer Geldstrafe von 2 750 Euro verurteilt, das Disziplinarverfahren läuft noch.
In Brandenburg hat das Innenministerium laut Selbstauskunft seit 2005 fünf Hinweise auf rechtsextreme Umtriebe seiner Polizisten erhalten. Ein ehemaliger Beamter des LKA fiel mehrfach durch rechtsextreme Äußerungen auf, ohne größere Konsequenzen. Gegenüber seinen Kollegen rechtfertigte er die Tötung von Juden, Kommunisten und Zivilisten während des deutschen Russland-Feldzugs mit der Begründung, es habe sich um Partisanen gehandelt. Als der Beamte im November 2006 von zwei Kollegen als Teilnehmer des rechtsextremen »Heldengedenkens« in Seelow erkannt wurde, erhielt er einen Verweis und wurde strafversetzt: zur Verkehrspolizei nach Schwedt. Dort fiel er wieder auf, diesmal lautet der Vorwurf auf Strafvereitelung.

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittle seit Ende vergangenen Jahres gegen zwei Beamte der Polizeiinspektion Uckermark wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt, sagt Wilfried Neumann, leitender Oberstaatsanwalt in Neuruppin. »Die Beamten sollen bei einem Einsatz, bei dem es um das öffentliche Skandieren rechtsradikaler und strafbarer Inhalte ging, die Aufnahme der Personalien der Beteiligten unterlassen und damit die Strafverfolgung wegen dieser Taten verhindert oder mindestens wesentlich erschwert haben.«