Es fehlen linke Strategien gegen die rechte Mobilisierung

Kampf um die ­Straße

Die AfD konkurriert mit Pegida um die Mobilisierung der rechten Massen auf der Straße. Dagegen fehlt in der radikalen Linken ein griffiges Konzept.

Unter den knapp 6 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Demonstration der Alternative für Deutschland (AfD) am Samstag in Berlin befanden sich einige hundert rechte Hooligans und Neonazis. Antifaschistinnen und Antifaschisten sichteten unter anderem den ehemaligen Vorsitzenden der Berliner NPD, Uwe Meenen, im Demonstrationszug. Das Beispiel in der Hauptstadt beweist: Die häufig verbal ge­äußerten Abgrenzungsschwüre der AfD-Partei­größen gegenüber Rechtsextremen sind Makulatur.
Ein griffiges Konzept gegen diese regelmäßige Mobilisierung der rechten Massen von Pegida bis AfD fehlt der radikalen Linken. Das ist auch nicht verwunderlich. Die Auflösung antifaschistischer Gruppen in den vergangenen Jahren führte zu einem erheblichen Verlust an Know-how. Derzeit geht es nicht mehr gegen zumeist gesellschaftlich isolierte Neonazis, sondern gegen ein rechtes Millieu, das weit bis in die bürgerliche Mitte hinein reicht. Wöchentliche Aufmärsche in mehreren größeren Städten im Osten der Republik würden, selbst wenn es mehr aktive Antifagruppen gäbe, ein schwer lösbares Problem darstellen. Dementsprechend werden die Debatten derzeit geführt. Auf der einen Seite wird kritisiert, dass seit Jahren keine vernünftige Bündnisarbeit mehr geleistet worden sei. Die Gegnerinnen und Gegner dieser Strategie sehen stattdessen gerade in der Zusammenarbeit mit politischen Parteien und Verbänden die Hauptursache für die eigene Schwäche.
Beim Kampf gegen die AfD gibt es ein Dilemma. Militante Aktionen gegen die rechten Populisten sind schwer zu vermitteln. Eine umfassende ­Mobilisierung der Zivilgesellschaft aber verschafft der AfD genau jene Wirkung, auf die sie hofft. Ihre Inszenierung als alleinige Alternative zum politischen Establishment funktioniert immer dann hervorragend, wenn die Gegenproteste von der CDU bis hin zur militanten Antifa alle vereinen.
In solchen Situationen kann sich die selbsternannte Antipartei als aufrechte Kämpferin gegen die »Systemparteien« und deren militantem Anhang halluzinieren. Frauke Petry fällt es dann nicht schwer, ihren Anhängerinnen und Anhängern den Eindruck zu vermitteln, dass ihre angeblich kritische Meinung durch ein Bündnis von Mob und Elite zum Verstummen gebracht werden soll. Es verschmelzen mehrere populäre Verschwörungstheorien, ohne dass Schlagwörter wie »NWO«, »Ostküste« und »Juden« auch nur erwähnt werden müssen. Die üblichen antifaschistischen Strategien wirken in dieser Gemengelage nicht mehr. Militante Aktionen gegen solche Massenmobilisierungen führen im schlimmsten Fall zum Terrorismus.
Breite Bündnisse sorgen dagegen für Frustration bei der eigenen Klientel. Der Ausweg aus dieser Situation kann nicht darin bestehen, noch mehr Energie in die Mobilisierung auf der Straße zu investieren. Diesen Kampf wird die radikale Linke verlieren. Stattdessen könnte die Auseinandersetzung mit völkischen Linken, wie zum Beispiel Oskar Lafontaine oder Jakob Augstein, forciert werden. Sie sind die Türöffner für reaktionäre und sozialchauvinistische Parolen.