Das Medium

Zurück in der Meckerhauptstadt

Über moralisch höherwertige Übermenschen im Großstadtverkehr.

In Norwegen auf dem Sofa zu sitzen und in den letzten fünf Urlaubstagen dem Regen beim Regnen zuzugucken, war gar nicht so schlecht. Man konnte sich viele Gedanken über das Thema Vergänglichkeit machen und außerdem die Tür nach draußen öffnen, ohne Angst vor ausgehungerten, blutrünstigen Mücken haben zu müssen. In Berlin auf dem Schreibtischstuhl zu sitzen und der Sonne beim Scheinen zuzugucken, ist dagegen sehr schlecht, zumal Sommer dann, wenn man aus den gleichnamigen Ferien zurück ist, ja auch eigentlich schon gar nicht mehr gilt.

Wie auch, wenn man den Kopf voller Deadlines und Zeugs hat und nicht mehr voll mit »Hach, ist dieses Nichtstun schön«. Zurück in Berlin wurde man außerdem umgehend angemeckert. Und das hauptsächlich von Radfahrern, also nicht von der coolen Sorte Radfahrer, die ihr Ding macht, sondern von denen, die davon ausgehen, dass das Sitzen auf einem Fahrrad sie grundsätzlich zu einer Art moralisch höherwertigem Übermenschen macht beziehungs­weise zu einem Verkehrsblockwart.

Natürlich ohne die Verkehrs­regeln zu kennen, was sie aber auch gar nicht brauchen, denn sie sind schließlich Radfahrer und haben deswegen automatisch immer recht, weswegen Radeln für Politgockel und Politgockelinnen möglicherweise auch eine sehr schöne Alternativbeschäftigung wäre, aber man soll Leute ja nicht auf Ideen bringen.

Jedenfalls: Von einem extra in Schlangenlinien vor einem dahinrollenden Radfahrer (der noch dazu wie einer dieser hippen Typen gekleidet ist, die in Start-ups CTO sind, was natürlich ein fieses Vorurteil ist, ja, macht man nicht, so etwas, klar, trotzdem) minutenlang mit »Ein Meter fünfzich Mindestabstand!« angeblökt zu werden, ist schon speziell, vor allem weil er mit eben diesen Schlangenlinien diesen Mindestabstand beim Überholen – ach, es ist ein Elend.