Kardinal Rainer Maria Woelki baggert in Köln

Kardinal am Baggern

Porträt Von

Sein erster öffentlicher Auftritt nach fünfmonatiger »geistlicher Auszeit« wirkte fast schon zynisch: Rainer Maria Woelki saß am Montag auf einem Bagger und schaufelte Sand auf einer Baustelle, auf der sein Erzbistum Köln eine Bildungseinrichtung für Kinder und Jugendliche plant. Anfang des Monats war der Kardinal aus seiner Auszeit zurückgekehrt. Seit Woelki im Oktober 2020 entschieden hatte, ein Gutachten über den Umgang mit Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch im Erzbistum Köln, das er 2018 selbst in Auftrag gegeben hatte, wegen angeblicher methodischer Mängel zunächst nicht zu veröffentlichen, reißt die Kritik an ihm nicht ab. Papst Franziskus hatte ihm im September 2021 eine Auszeit verordnet, Woelki sollte aber im Amt bleiben.

Dass Woelki das Gutachten mehrere Monate zurückzuhalten versucht hatte, hat die Aufarbeitung der sexuellen Missbrauchsfälle erschwert. Diese trifft in der katholischen Kirche ohnehin auf Hindernisse. Das Erzbistum Köln hat unter Erz­bischof Woelki, der dieses Amt seit 2014 bekleidet, eigenen Angaben zufolge zwischen 2019 und 2021 rund 2,8 Millionen Euro für Gutachten, Medienanwälte und Kommunikationsberater ausgegeben. Im Deutschlandfunk wird zu Recht kritisiert, noch immer sei »die PR-Erzählung in der Welt, das Kölner Missbrauchsgutachten entlaste« Woelki; der »juristisch verengte Blick« spare »die moralische Frage nach Mitverantwortung durch Mitwisserschaft« aus.

Die Vorwürfe gegen Woelki umfassen seinen Umgang mit dem Ende Februar in Köln wegen 110fachen sexuellen Missbrauchs zu zwölf Jahren Haft verurteilten katholischen Priester Hans Ue.; das Bistum habe 2018 von den Missbrauchsfällen gewusst, lauten die Vorwürfe, Ue. aber erst im April 2019 die Ausübung des Priesteramts untersagt. Mittlerweile sollen deswegen mehrere Anzeigen gegen Woelki und weitere führende Bistumsvertreter gestellt worden sein, unter anderem wegen vorsätzlicher Beihilfe durch Unterlassen und fahrlässiger Körperverletzung.

Als Woelki am Montag mit einer Schaufel in der Hand die anwesenden Fotografen und Journalisten scherzhaft warnte, sich vor dem umherfliegenden Sand in Acht zu nehmen, sagte er: »Ich will’s mir mit Ihnen nicht noch mehr verderben!« Kann man es sich denn noch mehr verderben?