Ein Gespräch mit Inga Romanovskienė über das Lukiškės-Gefängnis in Vilnius

»Digitale Inhaftierung«

Ein ehemaliges Gefängnis im Zentrum der litauischen Hauptstadt Vilnius ist zum Besuchermagneten geworden. Mit der Installation »Vilnius Put Putin in Prison« ist die heutzutage als Kulturzentrum genutzte Haftanstalt um eine Attraktion reicher. Inga Romanovskienė, die Direktorin der Tourismusagentur Go Vilnius, spricht über die Geschichte des Lukiškės-Gefängnisses, die Solidarität mit der Ukraine und die Kritik an der »Stranger Things«-Zelle.
Interview Von

Wie beschreiben Sie die Stimmung, die in diesem Sommer in Vilnius herrscht?

Von der pandemiebedingten Verlangsamung hat sich Vilnius schnell wieder erholt. Es geht lebhaft zu, die Stadt ist voller Menschen, die die täglichen Veranstaltungen genießen. Aber gleichzeitig haben die Menschen in Vilnius die völkerrechtswidrige ­Invasion Russlands in der Ukraine entschieden verurteilt, sie unterstützen die Ukrainer und die Demo­kratie im Allgemeinen nachdrücklich. Man darf nicht vergessen, dass viele Einwohner von Vilnius Freunde und Verwandte in dem vom Krieg heimgesuchten Land haben und viele Flüchtlinge aus der Ukraine und Belarus in der Hauptstadt vorüber­gehend Zuflucht gefunden haben.

Wie sieht die Solidarität konkret aus?

Die Menschen engagieren sich auf unterschiedliche Weise für Flüchtlinge oder die Ukraine. Einige sammeln Geld, um Care-Pakete oder ­finanzielle Hilfe in die Ukraine zu schicken. Sehr viele Litauer haben sich zusammengetan und fünf Millionen Euro gesammelt, um die Kampfdrohne Bayraktar für die Ukraine kaufen zu können. Das Geld kam in nur drei Tagen zusammen. Die Akte des Aktivismus und der Proteste in den sozialen Medien und im öffentlichen Raum sind ein fester Bestandteil im Leben von Vilnius geworden.

In Deutschland fordern viele Intellektuelle und Politiker, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu verhandeln, anstatt Waffen an die Ukraine zu liefern. Gibt es solche Debatten auch in Litauen?

Die absolute Mehrheit der Menschen unterstützen die Ukraine aktiv, und sie betrachten jeden Kompromiss mit Russland als eine Bedrohung der demokratischen Werte und Lebensweise. Diese Haltung ist stark von der Geschichte und den Erfahrungen ­Litauens mit russischen und sowjetischen Besetzungen beeinflusst, die auch Deportationen und das Verbot der Landessprache bedeuteten.

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