Franzens Freund, der Baum

Mit einem aufwendigen Wahlkampf und Putschdrohungen will Togos Präsident Eyadéma seine Wiederwahl sichern

In Togos Hauptstadt Lomé, nahe der Residenz des Staatspräsidenten Gnassingbé, ereignen sich merkwürdige Dinge: Um die 1 000 Menschen stehen Tag für Tag stundenlang gelangweilt in der Gegend herum, und nichts passiert. Sie warten darauf, daß ein Soldat, ihnen verkündet, "unser großer Präsident General Eyadéma" sei bereit, die Huldigungen des Volkes entgegenzunehmen. "Wenn wir ausnahmsweise mal zum Präsidenten dürfen", erklärt einer der Wartenden, "dann singen wir, daß er unsere Stimme bei den Wahlen bekommen wird." Eigentlich aber "sind wir nur hier, weil uns seine Soldaten für den Aufmarsch Geld geben, ich glaube, daß kaum jemand von uns Eyadéma wählen wird".

Am 14. Juni wird in dem kleinen Staat an der Westküste Afrikas der Präsident gewählt. Und der 63jährige "Affenbrotbaum" - wie Eyadéma wegen seiner imposanten Statur genannt wird - muß um den Präsidentenposten bangen, trotz eines finanziell aufwendigen Wahlkampfes mit Werbe-Schallplatten, Geldgeschenken und der Gründung zahlreicher Organisationen und Parteien, die sich alle "nach reiflicher Überlegung" für den Kandidaten Eyadéma aussprechen.

Das Geld für den kostspieligen Wahlkampf bestellte Eyadéma auf dem kurzen Dienstweg bei den Direktoren der staatlichen Energiebetriebe, wie Francis-Pedro Amuzun, Herausgeber des oppositionellen Blattes Crocodile, vermutet. 31 Jahre Herrschaft des Generals schlagen sich nicht nur darin nieder, daß der wichtigste Sportclub im Lande "Vereinigung der Generation Eyadéma" heißt. In alle wichtigen Funktionen hat der Präsident seine Günstlinge gehievt. Das weitverzweigte Netz der Vetternwirtschaft in Politik und Wirtschaft ist nur eines der typischen Charakteristika neopatrimonialer afrikanischer Staaten.

Ein weiteres Charakteristikum und zugleich "das fundamentale Problem unseres Landes", wie Amuzun in Crocodile analysiert, "ist die Allmacht des Militärs". Seit sich Eyadéma 1967 an die Macht geputscht hat, ist die Armee auf ihn eingeschworen. Diese Loyalität weiß der Präsident zu honorieren: Der Verteidigungshaushalt ist mit zwölf Prozent der Gesamtausgaben der zweitgrößte Einzelposten. Außerdem ist in der Republik, in der nach Angaben des deutschen Entwicklungshilfeministeriums ein knappes Drittel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt, Schikane durch Militärs, vor allem das Abkassieren von Wegezoll, Alltag.

Dabei schien es 1990, die Opposition könne sich durchsetzen. Eine von den städtischen Eliten getragene Bewegung demonstrierte und streikte für Demokratisierung. Die Militärs griffen zwar mehrmals gewaltsam in das Geschehen ein, Eyadéma sah sich dennoch zu Zugeständnissen gezwungen und berief ein Jahr später eine Nationalkonferenz ein. Die Verfassung der "3. Republik" wurde überarbeitet und neue Institutionen geschaffen.

Als 1992 Soldaten in einer "selbständigen" Aktion Mitglieder des Übergangsparlaments als Geiseln nahmen, traten große Teile der staatlichen Bediensteten, aber auch Handwerker, Händler und Arbeiter Lomés in einen neunmonatigen Generalstreik, die Opposition rief zum Boykott der Präsidentschaftswahlen auf. Das allerdings nützte wenig: Eyadéma ließ sich bei 36 Prozent Wahlbeteiligung zum "demokratisch gewählten" Präsidenten küren. Im Jahr darauf schlugen die Militärs landesweite Demonstrationen gewaltsam nieder, viele Oppositionelle flüchteten in die Nachbarländer. Größtenteils sind die Flüchtlinge mittlerweile zurückgekehrt, und sie "alle wollen nun umsomehr den Neuanfang", wie Yaovi Akakpo, Philosophieprofessor und Mitarbeiter des Zentrums zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit, behauptet.

Neuanfang bedeutet zunächst ein neues Staatsoberhaupt. Die Opposition präsentierte bisher nicht weniger als fünf Anwärter dafür. Groß sind die programmatischen Unterschiede zwischen ihnen allerdings nicht. So setzt Gilchrist Olympio, der aussichtsreichste Kandidat der Opposition, als ehemaliger Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds und erfolgreicher Unternehmer auf die Fortführung der marktwirtschaftlichen Politik des amtierenden Präsidenten. Auch die übrigen Kandidaten arrangieren sich mit den Verhältnissen, bis hin zu Leopold Messau Gnininvi, dem Mathematikprofessor, der sich selbst sozialistisch nennt und die soziale Marktwirtschaft anpreist.

Und dennoch könnte der Sieg eines oppositionellen Kandidaten den entscheidenden Fortschritt bedeuten: Das Ende der Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten und die Entmachtung des Militärs. Von den Militärs werde auch die Landbevölkerung schikaniert und deshalb sei es längst nicht nur die städtische Elite, die den Wechsel fordert, betont Gabriel Ayité Baglo, Generalsekretär der Vereinigung unabhängiger Journalisten.

"Wenn die Wahlen nicht gefälscht werden, hat Eyadéma überhaupt keine Chance."

Von einer fälschungslosen Wahl gehen aber nur Optimisten aus, obwohl internationale Wahlbeobachter den Urnengang kontrollieren sollen. Aber die kommen zum größten Teil erst ein paar Tage vor der Wahl. Das Wichtigste - die Erstellung der Wählerlisten - ist dann schon längst gelaufen. Bereits bei den letzten Parlamentswahlen war es Eyadéma gelungen, die Eintragung von Oppositionellen zu verhindern sowie Regimeanhänger doppelt votieren zu lassen. Die paritätisch mit Regierungs- und Oppositionsmitgliedern besetzte Wahlkommission, ist mit der Veröffentlichung der Listen schon mehrere Wochen im Verzug. Das gibt dem Gerücht neue Nahrung, es werde massiv gefälscht.

Das Verhalten des Auslands spielt deshalb eine wichtige Rolle. Deutschland pflegte gute Beziehungen zu Eyadéma. In Zeiten des Kalten Krieges hielt man dem Duz-Freund von Franz-Josef Strauß seine unzweifelhaft pro-kapitalistische Haltung zugute. Seit Beginn der neunziger Jahre setzen Außen- und Entwicklungshilfeministerium aber auf market democracy. Nach der blutigen Auflösung der Friedensdemonstrationen von 1993 wurde die Finanzhilfe auf ein Minimum gekürzt. Ähnlich strikt handelte auch die Europäische Union, für die Togo eigentlich ein "begünstigter Handelspartner" ist. Als Bedingung für die Wiederaufnahme der Hilfe fordert Brüssel "transparente und gerechte Wahlen". In Frankreich - neben Deutschland die zweite ehemalige Kolonialmacht Togos, die Eyadéma ebenfalls mit eifriger Unterstützung bedachte, dies nach der Demonstrationsauflösung aber einstellte - fordern vor allem die Neo-Gaullisten, dem Erhalt neokolonialen Einflußzonen mehr Gewicht zu verleihen und weniger auf die Einhaltung von Demokratie und Menschenrechten zu pochen. Sie sollen sogar spezielle Berichterstatter nach Togo geschickt haben, die finanziell bestens ausgestattet seien - von Eyadéma höchstpersönlich.

Innenpolitisch setzt der Präsident längst auf Drohgebärden. In einem Interview mit der staatlichen Tageszeitung Togo-Press äußerte er: "Wenn ich erneut für die Präsidentschaft kandidiere, dann deshalb, weil ich unserem Land einen Bürgerkrieg ersparen will", und schürte damit die Befürchtungen vor Unruhen und einem militärischen Putsch im Falle seiner Abwahl.