Clinton-Tournee in China

Perfekte Inszenierung

"Unsere Freundschaft mag nie perfekt werden, aber ich hoffe, sie wird ewig halten." William Clinton setzte auf versöhnende Worte während einer Pressekonferenz Ende Juni in Peking. Dort, wo am 25. Juni seine neuntägige Chinareise begann, inszenierte er, zusammen mit Chinas Präsident Jiang Zemin, eine Auslegungsdebatte über den Klassiker "Menschenrechte und Demokratie".

Alles durfte von allen gesagt werden, ohne daß Folgen befürchtet werden mußten: Clinton kritisierte sowohl die 1989 von Militärtruppen auf dem Tiananmen-Platz blutig niedergeschlagene Demokratiebewegung, als auch die Festnahme mehrerer Dissidenten kurz vor seiner Ankunft. Zemin konterte gelassen, indem er das Verhalten Chinas mit einer anderen Auffassung der Menschenrechte und Grundfreiheiten rechtfertigte. "China räumt dem Recht auf eine Existenzgrundlage und dem Recht auf Entwicklung mehr Priorität ein", war eine seiner saloppen Antworten.

Wie in einer guten Geschäftsbeziehung betonten beide Seiten immer wieder ihr partnerschaftliches Verhältnis - und akzeptierten die Meinungsverschiedenheiten, die dazugehören: Ein Massaker kritisieren ist das eine, sich auf dem Tiananmen-Platz empfangen zu lassen das andere. Oder: Warum chinesische Dissidenten in China treffen, wo es doch in den USA viel einfacher geht?

Und die Inszenierung ging weiter. Clinton wurde bei seiner Rede an der Beijing Universität von ausgewählten Studenten begrüßt, die ihm vorher geprobte Fragen stellen durften. Wie er es denn mit der US-Militärhilfe für Taiwan halte? Oder wo er denn die Menschenrechte in den verschiedenen Todestrakten in US-Bundesstaats-Gefängnissen wiederfinde? Bestimmt, aber doch freundlich und, vor allem, unverbindlich. Ganz so, wie es Clinton selbst vorgemacht hatte.

Jede ausweichende Antwort des Gastes aus Fernost wurde mit entsprechenden Beifall belohnt - auch dieser war im Vorfeld eingeübt worden. Die Regieanweisung lautete, Clinton und Zemin gleich viel Beifall zu spenden. Und nicht etwa Zemin ein bißchen mehr oder weniger, oder bei dem einen mit den Füßen zu trampeln und bei dem anderen nicht.

Nach dieser Show-Einlage folgte ein kleiner Mauerbummel hier, ein Tempelbesuch dort, und bloß die Börse in Shanghai nicht vergessen.

Schließlich wird auch dort Politik gemacht. Rund ein Drittel aller chinesischen Exporte gehen in die USA, die nach der asiatischen Finanzkrise stärker als je zuvor an Investitionen, Joint-Ventures und dem riesigen Reservoir an billiger Arbeitskraft in China interessiert sind. Und das Interesse ist nicht einseitig: In China, wo es - offiziell - nie Arbeitslosigkeit gab, sind innerhalb der letzten zwei Jahre 25 Millionen Menschen aus der Produktion freigesetzt wurden. Der Fetisch Wachstum scheint in Gefahr.

Wirtschaftsverträge im Wert von 1,5 Milliarden Dollar in den Bereichen Luftfahrt, Energie, Elektronik und Telekommunikation gehören nicht nur zu den wenigen konkreten Ergebnissen der Clinton-Tournee, sondern sie markieren einen Umbruch der US-China-Politik.

Das so lange von den USA favorisierte Taiwan scheint nun eine zweitrangige Rolle einzunehmen. Wo frühere Chefs des Weißen Hauses sich für die Unabhängigkeit Taiwans einsetzten, betont Clinton nun eine "Ein-China-Politik". Dafür hat er mindestens einen Terrakotta-Oscar verdient. Ob als Regisseur oder als bester Darsteller, wird sich zeigen.