Clinton kommt rechtzeitig

Für den Machterhalt läßt sich Israels Premier Netanjahu immer neue Tricks einfallen

Azzmi Nasser ist Coach des israelischen Zweitligisten Hapoel Bnein-Sachnin. Nicht gerade die Position, die sich ein ambitionierter Sportlehrer erträumt. Aber das soll jetzt anders werden. Wie Zeitungen jüngst meldeten, hat er das Angebot erhalten, als Cheftrainer die palästinensische Nationalmannschaft zu führen. Heftige Proteste waren damit programmiert: Die einen mögen sich nicht damit abfinden, daß ein Israeli das Pali-Team führt, und andere nicht, weil das Pali-Team durch einen Israeli geführt wird.

Immerhin hat Azzmi Nasser es bisher weiter gebracht als ein anderer B-Ligist. Der ist zwar Chef der Autonomiebehörde, die Präsidentschaft eines unabhängigen Staates jedoch wird ihm weiter verwehrt, auch wenn sein Gestus die Selbständigkeit simuliert.

"Wie Ben-Gurion", erinnerte die Jerusalem Post jüngst an die israelische Staatsgründung 1948, "wird Arafat seine Deklaration verkünden, bevor die Grenzen des Staates definiert sind." Der Tag, an dem David Ben-Gurion auf Grundlage des Uno-Beschlusses den Staat Israel ausrief, war der Beginn des Krieges. Aber "anders als Ben-Gurion", versuchte die Tageszeitung auch die Unterschiede zu betonen, könne "sich Arafat einer breiten internationalen Anerkennung sicher sein", zumal er nicht der Gefahr ausgesetzt sei, "daß sein Staat von feindlichen Nachbarn bedroht ist".

Diese Beruhigung vor dem Clinton-Besuch war angebracht. Denn einerseits läßt auch die schlingernde israelische Mitte-Rechts-Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu samt ihrem rechtsradikalen Außenminister Ariel Sharon immerhin daran keinen Zweifel, daß sie nicht an die Okkupation der von der Autonomiebehörde verwalteteten Gebiete denkt. Doch andererseits treiben die Versuche Netanjahus, seine rechte Wählerschaft und vor allem seine rechten Koalitionspartner bei der Stange zu halten und zu diesem Zweck das Abkommen von Wye weiter zu verzögern, immer seltsamere Blüten.

Kaum hatte sich die israelische Opposition um den Vorsitzenden der Arbeitspartei, Ehud Barak, dazu durchgerungen, endlich mit Nachdruck auf Neuwahlen zu bestehen - denn die Stimmung in der Bevölkerung wird wohl noch eine Weile gegen Netanjahu sein - und einen entsprechenden Antrag ins Parlament einzubringen, griff Netanjahu zu einem cleveren Trick. Kurzerhand verwandelte er Anfang vergangener Woche den Antrag Baraks in eine Vertrauensabstimmung über die Regierung. Dafür aber ist eine Bedenkzeit für alle Abgeordneten vorgeschrieben. Zusammen mit dem Clinton-Besuch verschaffte dieses Vorgehen Netanjahu erneut Zeit.

Zwei Wochen etwa beträgt die Wartezeit, die aus Sicht von Netanjahu keineswegs eine Galgenfrist ist, denn nun kann Bibi weiter daran arbeiten, seine bisherige Koalition zu ordnen und eventuell sogar neue Partner zu finden. Die liberal-konservative Gesher-Partei des früheren Außenministers David Levy etwa umwarb er mit dem Versprechen, den Friedensprozeß entsprechend dem Abkommen von Wye fortsetzen zu wollen - schließlich sei er es doch gewesen, der die Verträge in Wye unterschrieben habe.

Der rechts-nationalistischen Moledet-Partei und der Nationalreligiösen Partei hingegen versprach er bei seinen Verhandlungen, daß das Wye-Abkommen unter keinen Umständen realisiert würde - immerhin sei er doch der erste gewesen, der, kaum aus den USA zurück, sich davon distanziert habe. Am Rande dieser Verhandlungen wird deutlich, daß es vor allem von Details abhängt, ob in Israel Netanjahus Likud-Block weiter regieren wird, oder ob Neuwahlen - bei denen sowohl die Zusammensetzung des Parlaments bestimmt als auch der Ministerpräsident direkt gewählt würde - die Arbeitspartei wieder an die Macht brächten.

Die Details werden vor allem durch die Machtinteressen von Netanjahus Verhandlungspartnern bestimmt: David Levy etwa hat Interesse am Job des Finanzministers. Netanjahu soll dem zugestimmt haben, sofern der Haushalt für 1999 unangetastet bliebe. Zwar ist Netanjahu dieser Etat politisch nicht besonders wichtig, doch ist er in langen Verhandlungen so ausgehandelt worden, damit bloß kein Koalitionspartner finanziell zu kurz kommt.

Dennoch orientieren sich die rechten und nationalreligiösen Verbündeten Netanjahus stärker an dem Mann ihres Vertrauens: Außenminister Ariel Sharon. Der hatte erst jüngst angekündigt, den für den 18. Dezember vorgesehenen Abzug von israelischen Truppenteilen aus der Westbank verschieben zu wollen - und damit erneut versucht, den Friedensprozeß zu torpedieren. Aus Rücksicht auf seine Koalitionäre kann Netanjahu, wenn er denn überhaupt will, dem zur Zeit nichts entgegensetzen.

So betrachtet paßt der Clinton-Besuch Netanjahu sehr gut in den Zeitplan: Ob die Abmachungen von Wye umgesetzt werden oder nicht, gehört nicht zu seinen wichtigsten politischen Zielen. Aber wenn der Vertrag realisiert wird, weil die israelische Opposition, Clinton, Uno und EU entsprechenden politischen Druck entfaltet haben, wird ihm das von seinen rechten Wählern und Koalitionären zwar eine größere Portion antiamerikanischer Propaganda einbringen, gleichwohl wird ihm diese Niederlage niemand übelnehmen: Gegen einen übermächtigen Gegner wird man ja mal verlieren können.