Been to Saßnitz

Als Opfer rechtsradikaler Gewalt will die ghanaische Autorin Amma Darko nicht bekannt werden

"Da müht man sich wochenlang ohne großen Erfolg ab, und dann das!" sagt Verleger Jörg Hunger vom Stuttgarter Schmetterling Verlag verärgert. Die Resonanz auf die Öffentlichkeitsarbeit für die ghanaische Schriftstellerin Amma Darko, die sich momentan zu Besuch in Deutschland befindet, war eher verhalten. Bis sich ein höchst unerfreulicher Vorfall ereignete: Als die 42jährige Autorin in Saßnitz/ Mecklenburg-Vorpommern mit einer Begleiterin aus dem Zug stieg, um zu einer Lesung ins Gemeindezentrum zu gehen, wurde sie von einer Gruppe Jugendlicher, die auf dem Bahnhof herumlungerte, angepöbelt. Sie ahmten Affenschreie nach, beschimpften die Autorin als "Nigger" und warfen mit Bierflaschen nach ihr.

Amma Darko und ihre Begleiterin konnten dennoch unversehrt zum Veranstaltungsort gelangen. Die Täter, die vier Tage später ausfindig gemacht und vernommen wurden, sind laut Polizeiangaben dem rechten Spektrum zuzuordnen. Gegen sie wird wegen Volksverhetzung und der versuchten gefährlichen Körperverletzung ermittelt.

Als Jörg Hunger zwei Tage später eine kurze Mitteilung über den Vorfall und den Abbruch der Lesereise an die Presse weitergab, begann eine erfolgreichere Etappe seiner Öffentlichkeitskampagne. Obwohl die zahlreichen Lesungen von Amma Darko - sechs hatten bereits in der alten Bundesrepublik stattgefunden - für viele kein Thema waren, meldeten sich neben der lokalen Presse auch überregionale Zeitungen sowie die BBC und der britische Independent. "Ich will nicht bekannt werden als Amma Darko, die von Rechtsradikalen angegriffen wurde", kommentiert die Schriftstellerin den Vorfall.

Deutschland ist der ehemaligen Asylbewerberin nicht unbekannt, dennoch war sie auf einen solchen Angriff nicht vorbereitet. Sie sagte die geplanten Lesungen in Neubrandenburg, Greifswald und Neustrelitz ab und fuhr zurück nach Stuttgart, wo sie seit März als Stipendiatin der Akademie Schloß Solitude des Landes Baden-Württemberg zu Gast ist.

Eine Reaktion, die nicht überall auf Verständnis stößt. Die Verantwortliche des "Literatursalon" in Greifswald, wo Amma Darko lesen wollte, verlangte prompt Schadensersatz beim Verleger und fragte: "Wieso fährt Frau Darko denn nicht gleich nach Ghana zurück?" Sie wisse, wie man in solchen Situationen zu reagieren habe, immerhin sei sie vom Bündnis gegen Rechts. Das örtliche Bündnis gegen Rechts distanzierte sich inzwischen von der Veranstalterin.

Zu schreiben begann die Ghanaerin, als sie die Isolation und das erniedrigende Leben einer Asylbewerberin in einem kleinen Dorf in der Nähe von Hildesheim erfuhr. So entstand "Der verkaufte Traum", die Geschichte einer Migrantin, der in Deutschland nur der Weg in die Prostitution übrig blieb. Ihr Werk, das gründlich mit dem in Ghana verbreiteten Bild vom "Paradies Europa" aufräumt, griff damit ein Tabu-Thema auf. 1991, als das Buch in Deutschland veröffentlicht wurde, war die Diskussion um die Verschärfung des Asylbewerbergesetzes bereits in vollem Gange. "Ich war mir dessen bewußt", sagt Darko, "doch die Notwendigkeit, ein solches Buch zu veröffentlichen, bestand dennoch."

Ziel war es nicht, andere davon zu überzeugen, nicht ins gelobte Europa zu fahren. "Es steht mir nicht zu, anderen Ratschläge zu geben", sagt Darko, "doch sie sollten zumindest eine Vorstellung von dem haben, was sie erwartet." Auch ihr zweites Buch, "Spinnweben", ein autobiographischer Roman, erzählt von den wenig erfreulichen Perspektiven eines "Been-To", wie die "in Europa Gewesenen" in Ghana genannt werden.

Was es heißt, als "Been-To" ohne Geld in der Tasche aus Europa zurückzukehren, mußte Amma Darko am eigenen Leib erfahren. "Ich galt als Versagerin", sagt sie und betont, daß sie dennoch nichts bereut: "Persönlich war es wichtig für mich, diesen Schritt zu tun."

Nach sechs Jahren Deutschlandaufenthalt hatte Amma Darko einer freiwilligen Abschiebung zugestimmt - ohne sich darüber im klaren zu sein, daß damit der Kampf mit den Behörden nicht ausgestanden war. Noch vor der Veröffentlichung von "Der verkaufte Traum" hatte sich die Regisseurin Helma Sanders für die Story interessiert und Amma Darko eingeladen, an dem Filmskript mitzuarbeiten. Trotz eines gültigen Visums wurde sie am Düsseldorfer Flughafen in Gewahrsam genommen. Der Grund: Die Kosten für die Abschiebung waren noch offen. Nach zwei Tagen entschied Darko, sich nicht länger auf ein Warten in der Abschiebezelle am Flughafen einzulassen, und flog zurück.

Daß sie dennoch neun Jahre später wieder nach Deutschland reisen wollte, erklärt Amma Darko damit, daß sie hier "auch sehr viel Positives erlebt hat". Das Visum bekam sie erst, nachdem sie die Rechnung für ihre Abschiebung über 2 500 Mark bezahlte. Die Voraussetzungen seien aber deutlich besser als beim ersten Besuch. Immerhin wird der weitaus größte Teil ihrer in mehreren Sprachen veröffentlichten Bücher in Deutschland verkauft.

In ihrem Heimatland Ghana ist die Situation insbesondere für Autorinnen schwierig. Nachdem sie lange Zeit ignoriert worden ist, wurde sie vor kurzem immerhin mit dem "Ghana Book Council Development Award" ausgezeichnet. Für die Veröffentlichung ihrer Bücher ist sie jedoch auf ausländische Verleger angewiesen. So kommt es, daß ihr vorletztes Werk "Spinnweben" bislang nicht in Englisch herausgebracht wurde und somit in Ghana gar nicht gelesen werden kann. Neu erschienen ist in diesem Jahr "Das Hausmädchen" - zwei Geschichten aus Ghana, in einer sehr direkten, humorvollen Sprache geschrieben.

Daß sie trotz des Vorfalls in Saßnitz die Lesetournee in Ostdeutschland fortsetzen will, steht mittlerweile fest. "Diese Rechtsradikalen sollen bloß nicht meinen, daß sie gewonnen haben." Dazu beigetragen haben auch Reaktionen auf den Abbruch ihrer Lesereise. Neben Einladungen von Bürgern, lädt die SPD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern Amma Darko zu einer Lesung ins Schweriner Schloß ein, die PDS verurteilt das Geschehene in einem Offenen Brief. Der Bürgerbeauftragte des Landes, Frieder Jelen, bot zudem an, die Schriftstellerin auf der Tournee zu begleiten. Daß bei manchen Wiedergutmachungsversuchen nicht immer die Person und Schriftstellerin Amma Darko im Vordergrund stand, zeigte sich daran, daß so manche Einladung erst in den Medien bekannt gegeben wurde, bevor sie beim Verlag einging.