Paul und Jane Bowles

Geliebter Feind

Ende der zwanziger Jahre gehört Paul Bowles zu den jungen amerikanischen Expatriates aus gutem Hause, die Europa gegen die puritanische Provinz daheim eintauschen. Neunzehnjährig schifft er sich ein nach Paris, jobbt als Telefonist, wohnt kurz im New Yorker Village und beendet seine Unikarriere nach nur einem Jahr. Bowles nimmt Kompositionsunterricht bei Nadia Boulanger und befreundet sich mit dem Komponisten Aaron Copland, mit dem er Anfang der Dreißiger nach Berlin reist. Mit Christopher Isherwood flaniert er am Nollendorfplatz, sitzt im Café des Westens und schnappt Vokabeln und Sätze auf wie "Noch jemand ohne Fahrschein?". "Nirgendwo sonst habe ich mich so unerwünscht gefühlt", notiert er in "Without Stopping", seiner noch als literarisches Greenhorn begonnenen Autobiografie.

Anfang der Dreißiger fährt er erstmals nach Tanger, aber erst Ende der Vierziger wird - immer wieder unterbrochen von Reisen - die Stadt zu seinem Refugium. Als Paul Bowles 1937 bei einem Treffen mit dem Lyriker John La Touche und Erika Mann die damals 20jährige Jane Auer kennen lernt, hat sie bereits ihren ersten Roman geschrieben. Paul, ein eleganter, hochaufgeschossener blonder 26jähriger, dessen zurückhaltende Art William Burroughs später "beinahe unmenschlich höflich" findet, trifft hier auf eine Antipodin, die verkündet: "You are my enemy!"

Jane war eine zarte, agile Person mit einem kurzgeschnittenen Tuff aus dunklen hennarot gefärbten Haaren, genauso originell und sardonisch wie der Stil iheres Romans "Two Serious Ladies" (1943). Um 1945 beginnt Bowles, wieder zu schreiben und "ein Territorium, das für immer verschlossen schien" zurückzuerobern. Die Lektüre der "Serious Ladies" sei für ihn katalytisch gewesen. Jane und Paul sind zu diesem Zeitpunkt bereits verheiratet.

Häufig wurde "The Sheltering Sky" (1949) als Schlüsselroman mit direkten Bezügen zu den Bowles' gelesen, der ein Eigenleben an Zuschreibungen und Identifikationen entwickelt, wogegen sich Bowles verwahrte. Es ist die Geschichte eines Paares, Mann und Frau, das sich aufmacht zu einer Reise in die Wüste und das sich gegenseitig betrügt. Er ist fasziniert von der abstrakten Weite der Landschaft, sie fürchtet das Unbekannte. Der Mann stirbt, die Frau ist allen Unbilden der Natur und Gewaltakten ausgesetzt. Der Himmel über der Wüste ist mitnichten schützend, Gott ist tot, der Ort der Handlung ein nihilistisches Universum.

1952 erscheint Bowles' Autobiografie "Without Stopping", von Burroughs in Anspielung auf das verweigerte Outing mit "Without Telling" parodiert. Obwohl Jane in Paris das einschlägige "Monocle" frequentiert, Freunden ihre Liebhaberinnen vorstellt, hält es Paul mit der diskreten noblesse oblige, nach dem Motto: "Wen interessiert das schon?" Immer hat sich Bowles gegen eine lebensechte Bekenntnisliteratur gewehrt: "Das wirklich Interessante an einem Autor", so Bowles zu seinem Verleger Peter Owen, "ist doch seine Arbeit. Hier findet die Transformation statt. Wer das analysiert, erfährt auch etwas über die Person."