Grüne Tomaten

Die Arbeitsimmigranten sind nach dem Pogrom im südspanischen El Ejido in den Streik getreten und haben damit wichtige Zugeständnisse erreicht.

Nach den schweren ausländerfeindlichen Krawallen in El Ejido vor zwei Wochen ist die südspanische Kleinstadt immer noch nicht zur Ruhe gekommen. Im Gegenteil. Der Bürgermeister von El Ejido, Juan Enciso von der konservativen Volkspartei PP, heizt die Situation noch an. Er weigerte sich nicht nur, ein Grundstück für die vorübergehende Unterbringung von etwa 1 000 marokkanischen Immigranten zur Verfügung zu stellen, die wegen der Unruhen obdachlos geworden waren. Er verbot sogar dem Roten Kreuz, Zelte für ein Übergangslager aufzubauen. Mit der Begründung, eine »Gettobildung« und eine »erneute Mobilisierung der Bevölkerung« verhindern zu wollen, hatte er 14 000 Unterschriften gegen den Bau von Notunterkünften für die Opfer gesammelt. Viele Gastarbeiter leben weiter im Freien und werden vom Roten Kreuz mit Essen und Schlafsäcken versorgt.

Doch in Spanien hat bereits der Kampf für die Präsidentschaftswahlen am 12. März begonnen und so haben auch die Parteien das Thema El Ejido für sich entdeckt. Regierungspolitiker, die spanische Opposition und auch die Gewerkschaften ließen es sich in der vergangenen Woche nicht nehmen, auf Kurzbesuchen in der südspanischen Stadt mit NGO-Vertretern, Lokalpolitikern und Einwanderern vor laufenden Kameras zu sprechen. Die sozialistische Oppositionspartei PSOE warf dabei Ministerpräsident José Maria Aznar vor, nicht entschlossen genug gegen den Mob vorgegangen zu sein. »Statt ständig über Haider zu reden, sollte sich die Regierung darum kümmern, was in unserem eigenen Land geschieht«, wetterte der sozialistischen Parteisprecher Alfredo Rubalcaba.

Auch der Führer der postkommunistischen Vereinigten Linken (Izquierda Unida), Francisco Frutos, forderte eine offenere Einwanderungspolitik in Spanien und kündigte entsprechende Gesetzesänderungen nach den Wahlen an. Die Vereinigte Linke und die Sozialisten gehen mit einem gemeinsamen Programm in die Wahlen im nächsten Monat.

Schwierigkeiten bereitet der PP mittlerweile auch ihr Bürgermeister in El Ejido, der nach wie vor die sofortige Ausweisung von illegalen Einwanderern fordert. »Wenn in El Ejido nicht schnell Notunterkünfte errichtet werden, weil sich der konservative Bürgermeister dagegenstellt, werde ich Aznar persönlich im Wahlkampf dafür verantwortlich machen«, droht der sozialistische Präsidentschaftskandidat Joaqu'n Almunia seinem Kontrahenten.

Während die regierende Volkspartei in Madrid anfangs noch Juan Enciso unterstützt hat, geht sie nun auf Konfrontationskurs zu dem Bürgermeister und beschloss einige Hilfsmaßnahmen zu Gunsten der Immigranten. So stellte das Justizministerium einen Fonds von rund zehn Millionen Mark für Soforthilfe zur Verfügung. Die Stadtverwaltung von El Ejido verpflichtete sich, die verwüstete Moschee wieder aufzubauen und den Immigranten für ihre zerstörten Geschäfte, Häuser und Autos Entschädigungszahlungen zu leisten. Zusätzlich werden für rund 700 marokkanische Gastarbeiter Notunterkünfte neben den Treibhausplantagen bereitgestellt.

Mit ausgelöst wurde die plötzliche staatliche Hilfsbereitschaft durch den Streik, den die marokkanischen Gastarbeiter nach dem Pogrom begannen und der die erste Frühjahrsernte lahmzulegen drohte. Einige spanische Gemüsebauern klagen bereits, dass sie wegen des Streiks bereits zehn Prozent der Tomatenernte verloren hätten. Die Einwanderer hatten von den Unternehmern und der staatlichen Verwaltung Schadensersatz und ein neues Integrationsprogramm gefordert.

Besonders die spanischen Gewerkschaften solidarisierten sich mit den Immigranten, die die regionale Ge-müseernte fast vollständig übernommen haben. »Schuld sind die Politiker, die es zu den Ausschreitungen haben kommen lassen. Dabei wissen doch alle, dass auch die spanischen Arbeiter auf die marokkanische Hilfe auf den Feldern angewiesen sind. Ohne sie läuft hier nichts«, erklärte die Gewerkschaftspräsidenten Cándido Méndez und Antonio Guitiérrez.

Obwohl die Gastarbeiter ihren Streik nach einigen Tagen beendet haben, behalten sie sich jetzt das Recht vor, die Arbeit erneut einzustellen, wenn bis zum kommenden Wochenende keine weiteren Fortschritte bei der Schadensbehebung und der Einrichtung von Notquartieren erreicht worden sind. Einige wichtige Zugeständnisse haben sie schon durchgesetzt: Die Unternehmer verpflichteten sich auf Druck der Gewerkschaften, künftig alle Sicherheits- und Sozialregeln einzuhalten. Illegale Arbeiter können ab sofort eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Eine ständige Kommission aus Gewerkschaften, Regionalverwaltung und Einwanderervereinigungen soll über die Wiedergutmachungszahlungen und die Einhaltung der Sozialstandards wachen.

Der Konflikt um die Einwanderer wird damit allerdings kaum beendet sein und auch über die Wahlen hinaus ein beherschendes Thema in Spanien bleiben. Denn in der PP herrscht große Uneinigkeit, welche Haltung sie zu den Ereignissen in El Ejido beziehen soll. Vor allem das erst kürzlich liberalisierte Einwanderungsgesetz, das gegen die aktuelle Minderheitsregierung mit Hilfe der Opposition durchgesetzt wurde, polarisiert die Partei. Etwa 80 000 illegale Immigranten sollen demnach eine offizielle Aufenthaltserlaubnis erhalten.

Während sich die PP-Kongressmitglieder für die neue Regelung aussprachen, hält die PP-Regierung dagegen. Ihr Sprecher Josep Pique versicherte bereits, »dass die konservative Volkspartei nach einem erneuten Wahlsieg das Gesetz wieder rückgängig machen werde«.