Tagung zu Arendt und Adorno

Ungleiches Paar

Wo liegt Delmenhorst? Ein Wink mit einem Eichenblatt-verzierten Pfahl ließ sich auf dem Delmenhorster Bahnhofsvorplatz erhalten: Unter der Überschrift »700 Jahre Deutsche Heimat« sind hier gen Osten gerichtete Hinweisschilder mit der Aufschrift: 800 Kilometer Königsberg, 670 Kilometer Danzig, 420 Kilometer Eger, usw. aufgestellt. Das norddeutsche Flachland war schon 1932 rein braun regiert und wurde nach 1945 Heimstätte zahlreicher Aussiedler.

Hierhin hatten das Hannah-Arendt-Zentrum Oldenburg, nicht zu verwechseln mit dem HAIT-Dresden, die Uni-Oldenburg und das Hanse-Wissenschaftskolleg zur Tagung »Das Jahrhundert verstehen. H. Arendt - T. W. Adorno« geladen. Mit viel Sinn für wissenschaftliche Reputation eröffnete einer der Mitveranstalter, Stefan Müller-Doohm, den öffentlichen Teil der Tagung, indem er die Frage ans Publikum richtete, wer denn der Philosoph von Weltruhm gewesen sein könnte, der die Bemerkung gemacht habe, dass die Zusammenführung von Arendt und Adorno reichlich spät erfolge. Das fehlende Aufstöhnen im Publikum verriet, dass man durchaus gewillt war, sich diesen akademischen Plänkeleien hinzugeben.

Das in der Tat merkwürdige Versäumnis, das Werk der beiden zusammenführend zu diskutieren, konnte auf der Tagung allerdings kaum wettgemacht werden. Dafür war nicht zuletzt der einleitende Beitrag von Dagmar Barnouw von der University of Southern California verantwortlich, die einen »nicht assimilierungsfähigen« Adorno einer weltoffenen Arendt entgegensetzte. In der Hermetik der »Dialektik der Aufklärung« spiegele sich die Abkapselung des Exils, von der »Paranoia« des Exilanten gar war die Rede. Und um noch eins draufzusetzen, inszenierte sich Barnouw als Tabubrecherin; in Deutschland sei die wissenschaftlich übliche, historisierende Betrachtung von Auschwitz unmöglich, Martin Walser habe in seiner Festtagsrede, »wie unglücklich auch immer«, das zum Ausdruck bringen wollen. Die Tagung hatte ihren ersten Eklat.

Im nicht-öffentlichen Fachteil kam es zu produktiveren Diskussionen, die aber mehr um die Differenz zwischen Adorno und Arendt kreisten. Während etwa der Begriff des Politischen bei Adorno in marxistischer Verwendung auf eine Abschaffung der Politik als Verwaltung von Menschen zielt, wird er bei Arendt emphatisch verwandt als Denken und Handeln für eine republikanische Öffentlichkeit.

Dass beide, wie Lars Rensmann betonte, Auschwitz zum Zentrum ihrer Theorie nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht haben und damit dessen Begreifen vor jede positive Ausformulierung eines wie auch immer gestalteten republikanischen Gemeinwesens gesetzt haben, darüber konnte allerdings keine Einigkeit hergestellt werden. Albrecht Wellmer wischte Arendts Plädoyer für ein Rätesystem, das in der Kritik des Etatismus als eine Quintessenz ihrer Analyse totaler Herrschaft gelten kann, weil Macht dabei nicht vertikal, sondern horizontal organisiert sei, mit dem Hinweis vom Tisch, dass eine solche Vergesellschaftung unter den Bedingungen der Globalisierung bestenfalls naiv sei.

ArendtianerInnen und AdornitInnen fanden vorerst nicht zueinander. Sicher auch besser so, denn das Zwanghafte des Vergleichs nivellierte mitunter, was Arendt und Adorno als Einzelne interessant macht.