Ratgeber zur Faulheit

Stress der Jugend

Warum es kein Gesetz gegen irreführende Buchtitel gibt, ist unerklärlich. Arglistig getäuscht, steht der enttäuschte Kunde machtlos vor dem Buchhändler, der sich weigert, das Buch zurückzunehmen - dabei könnten sich die Verlage doch mindestens selbst verpflichten, Titel und Klappentexte so zu formulieren, dass sie der Wahrheit nahe kommen. Ein Titelbilder-Ehrenkodex könnte hinzugefügt werden, so dass dem ebenso verwirrenden wie verschwenderischen Aufkommen lasziver junger Blondinen auf den Umschlägen von Werken, die ausschließlich von frustrierten mittelalten Dunkelhaarigen handeln, ein für alle Mal Einhalt geboten wird.

Zumal nun auch Sachbücher von der Titel-Täuschungs-Pest befallen zu sein scheinen. Den Umschlag von »Faulheit ist das halbe Leben« ziert zwar keine Blondine, sondern ein honigfarbener Hund im Liegestuhl, aber »der Survival-Guide für ein langes Leben« hält trotzdem nicht das, was er verspricht. »Wer langsam lebt, bleibt lange jung« heißt es im Untertitel. »Altern ist kein unentrinnbares Schicksal mehr«, erklärt die Rückseite, und im Klappentext wird lang und breit erläutert, dass »träge Reptilien, die offensichtlich nichts anderes tun, als faul in der Sonne zu liegen, mit einem langen Leben belohnt werden«.

Ein Plädoyer für das Recht auf Faulheit also, noch dazu wissenschaftlich untermauert von den Forschungsergebnissen des Stoffwechselphysiologen Prof. Roland Prinzinger von der Universität Frankfurt/Main - was soll da noch schiefgehen?

Alles, jedenfalls dann, wenn man ein gut begründetes Lob des Nichtstuns erwartet. Zwar beginnt das Buch mit einigen schönen Beispielen aus der Tierwelt, wonach die hektischen Viecher eindeutig kürzer leben als diejenigen, die es ruhig angehen lassen, aber dann ist auch schon Schluss mit der Verherrlichung des Nichtstuns. Denn Lebensverlängerung ist in Wirklichkeit harte Arbeit. Und erfordert all das, was in den anderen Büchern für lebenstechnisch Begriffsstutzige auch schon immer wieder heruntergebetet wird, also viel Sport zu treiben, sich vernünftig zu ernähren, Stress zu vermeiden, Drogen, Nikotin und Alkohol wegzulassen, mindestens acht Stunden täglich zu schlafen und dann das Beste zu hoffen.

Zusätzlich zu diesem eigentlich schon tagesfüllenden Wellness-Programm muss man pausenlos »Stessfaktoren entlarven und bekämpfen«, »Mut zum eigenen Lebensstil« entwickeln, die »Sauerstoffbilanz verbessern«, »Energieblockaden« durch »aktivierte Meridiane« auflösen und viel Melatonin zu sich nehmen, das jedoch in Deutschland verboten ist.

Und dabei auch noch ständig darauf achten zu kuscheln (»Zärtlicher Hautkontakt setzt Botenstoffe frei, die so richtig gut tun«), regelmäßig squalenhaltige Nahrungsmittel zu essen, Elektrosmog zu vermeiden und »Hormone als Mittler zwischen Körper und Seele« nicht zu vernachlässigen. Sowie im richtigen Beruf das Geld für die gesunde Lebensführung zu verdienen. Denn: »Wessen Stärken eindeutig im Handwerklichen liegen, wird möglicherweise in einem Akademikerberuf Probleme haben. Wer dennoch einen solchen Weg einschlägt, muss häufig bis an die Grenzen seiner Fähigkeiten gehen und treibt damit regelrecht Raubbau an seiner Gesundheit.« Und das ist schlecht.

Inge Hofmann: Faulheit ist das halbe Leben. Mosaik-Verlag, München 2000, 158 S., DM 19,80