Kultusministerkonferenz beschließt Studiengebühren

Studium s. t.

Strafe muss sein. Was wollen sie auch, die gut 408 000 StudentInnen, die seit mehr als 14 Semestern an deutschen Hochschulen eingeschrieben sind? Statt ihre Arbeitskraft zu Markte oder zumindest in die Statistiken der Arbeitsämter zu tragen, statt Start-Ups zu initiieren oder sonstwie Arbeitsplätze zu schaffen, hängen sie in den Elfenbeintürmen fest und behindern eifrige Frischlinge am willigen Fortkommen.

Wer so schändlich öffentliche Institutionen ausbeutet, soll zahlen: 1 000 Deutsche Mark pro Semester. So will es die Kultusministerkonferenz (KMK). Unerheblich sind dabei Hinweise, dass »LangzeitstudentInnen« weder zusätzliche Kosten erzeugen noch irgendwem den Labor- oder Seminarplatz streitig machen. Denn das lässt sich ebensowenig nachweisen wie das Missachten des Lohnabstandsgebotes in der Sozialhilfe. Restriktionen erfolgen trotzdem: Die Gründe sind hier wie bei den Studiengebühren in einer angestrebten Neuregulierung zu suchen, die qualitativ mehr ist als das Beschneiden von sozialen Leistungen.

Konsequente Gebühren-Befürworter wie der baden-württembergische Kultusminister Klaus von Trotha sehen den KMK-Kompromiss deshalb keineswegs als Niederlage. Nachdem es ihm gelang, Studiengebühren überhaupt erst auf die bildungspolitische Agenda zu setzen, feiert er jetzt einen weiteren wichtigen Etappensieg in der Akzeptanz-Beschaffung. Schließlich wurde sein Modell - 14 Semester ohne, alle weiteren mit Gebühren - im Nachhinein vollständig legitimiert. Auch die Form stimmt: Nicht der Bund regelt die Gebührenfrage verbindlich für die Länder, sondern die Länder schließen einen Staatsvertrag, der einfacher in Richtung genereller Zahlungspflicht zu ändern ist als das Hochschulrahmengesetz (HRG).

Das marktradikal vereinnahmte Konzept des »Life-Long-Learning« (L 3) nimmt Konturen an. Soll heißen: Humankapital hängt unwiderruflich mit Wissen zusammen, welches in immer kürzeren Abständen als überholt gilt. Kurze wissenschaftsbasierte Ausbildung mit anschließenden privat finanzierten Up-Dates müssen im Bildungssystem verankert werden. Ergo: Zwölf Schuljahre reichen, zehn Semester Studium sind genug.

Gegen ein kurzes Studium spricht an sich überhaupt nichts, gegen ein langes ebenso wenig. Interessant wird die Dauer erst, wenn sie entlang von Inhalten bestimmt wird. Und die sind im Falle der Studiengebühren-Apologeten recht eindeutig: L 3 heißt employability-bezogene Humankapitaloptimierung bei privater Finanzierung der akademischen Arbeitskraftunternehmer. Alles klar? Ich studiere, um beschäftigungsfähig oder selbst Unternehmer zu werden, investiere in meinen Qualifikationserwerb Zeit und Geld und bin rational genug, um diese knappen Ressourcen nicht unnötig durch marktferne Studieninhalte in den Sand zu setzen. Deshalb kaufe ich die Dienstleistung Bildung auch nur dort, wo ich in möglichst kurzer Zeit optimale Ergebnisse erziele. Wenn ich versage, hatte ich wohl die falsche Entscheidung getroffen. Und für mein individuelles planerisches Versagen kann ich unmöglich den Staat in die Verantwortung ziehen.

Soweit ist es bisher noch nicht. Noch können sich die Ökonomen der OECD-Bildungsabteilung wundern, dass das Studium in Deutschland weitestgehend gebührenfrei ist. Doch »eine der erfolgreichsten hochschulpolitischen Innovationen im Deutschland der vergangenen Jahre«, wie von Trotha sein Gebührenmodell rühmt, fruchtet: Bildungsinhalte bestimmt der Markt, strukturell verursachte Ungerechtigkeit wird individuell zugeschrieben und privat abgerechnet. Ideologe / Ideologin ist, wer anderes fordert.