Willemsen und Naumann

Zigaretten rauchen

Es war kein Drama, was sich da im pittoresk-verfallenen Ambiente der Berliner Sophiensäle am vergangenen Donnerstag abspielte, sondern klassisches westdeutsches Intelligenzfernsehen. Willemsen vs. Naumann, der Showdown zweier deutscher Intellektuellenbilder. Hie Roger Willemsen, trotz seiner Pennälerhaftigkeit und dem immer zu exaltierten Anzug symptomatisch für die Generation Tempo. Jemand mit einer verworrenen Liebe zu Adorno und Porno, der sich durch alle Talkformate plaudert und dabei durchaus überzeugend suggerieren kann, er halte mit einem enormen Geheimwissen hinterm Berg. Eine Art tragischer Maxim Biller, mit einer vergleichbaren Egozentrik geschlagen und dabei dennoch mit einem Fünkchen Wahrhaftigkeit.

Der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, der erste deutsche Jack Lang, liegt dagegen ganz auf der ästhetischen Linie des Kanzlers und seines Kabinetts: optisch bemüht, auch bei geschickter Auswahl des Schneiders immer in der betont seriösen Linie zu bleiben, und durch gewisse Accessoires erst recht den Mächtigen herauszukehren: beim Kanzler sind es verpaffende Zigarren, bei Fischer der unsägliche Siegelring, bei Trittin der Kragen, bei Schily die Deppenfrisur und bei Naumann ist es merkwürdigerweise die Zigarette.

Und auch im Gespräch schmückt sich Naumann mit einer Autorität, die ihm nicht steht. Obwohl er normalerweise da, wo es Anekdoten zu produzieren gilt, sich ganz gesellig gibt, so entwickelt er Willemsen gegenüber eine merkwürdige Aggressivität: Zwischenfragen werden mit erhobener Hand und einem unwirschen »Nein« abgelehnt, allzu kritische Referenzgrößen als »Einzelmeinungen« deklassiert - weder beim Kosovo-Einsatz noch bei der Kulturpolitik habe man etwas besser machen können. Dieser Mann ist mit sich und seinen Herren im Reinen. Er lässt sich als Verlagsleiter loben (obwohl er nicht unwesentlich am derzeitigen Zustand des Rowohlt-Verlages Schuld trägt), bestreitet, kulturpolitisch das Erbe der CDU und Kanthers angetreten zu haben und lässt einen öden Kohl-Witz fallen - kurz, er ist der einzige, der glaubt, dass er die Erwartungen, die liberale Kulturschaffende anfangs in ihn gesetzt haben, voll und ganz erfülle. Insofern ist diese eigentlich stinklangweilige Sendung bemerkenswert: Sie gibt eine prima unbefriedigende Halbzeitbilanz von Naumanns Amtszeit.

Und sie präsentiert den Hoffnungsträger und möglicherweise baldigen Bürgermeisterkandidaten für Berlin (»Diepgen: 'Ist es nicht zu früh für eine Kandidatur?' Darauf ich: 'Und, Herr Diepgen, ist es nicht zu spät?'«, Applaus) als einen eitlen Souveränitätspeter, der ganz und gar - bis hin zur Wahl der Phrasen und der Art zu rauchen - auf den späten Helmut Schmidt macht. In der Tat ein großes Vorbild, das sich Naumann gewählt hat. Doch leider daneben - der ganz toll beliebte Bürgermeister von Berlin war nicht Schmidt, sondern Willy Brandt.

»Nachtkultur«, WDR, 31. Mai, 22.15 Uhr