Teilfusion von General Motors und Fiat

Eins zu null bei Opel

Die abwehrstarke Belegschaft von Opel Bochum spielte in der ersten Halbzeit erfolgreich gegen General Motors, den größten Autokonzern der Welt.

Fusionen, Allianzen, Joint Ventures - diese Vorgänge gehören in der letzten Zeit zum Alltag und erregen immer weniger Aufmerksamkeit. So sind auch die Details der Mitte März dieses Jahres verkündeten Allianz zwischen General Motors (GM) und Fiat nur nach und nach bekannt geworden.

GM übernimmt in einem ersten Schritt zwanzig Prozent an Fiat Auto, und Fiat erhält GM-Aktien zum Gegenwert. Doch die gegenseitige Kapitalverflechtung bildet nur die Basis für erhoffte Kosteneinsparungen von mindestens einer Milliarde Dollar jährlich, die sich aus einem gemeinsamen Teileeinkauf sowie Getriebe- und Motorenbau ergeben sollen. Um die Synergie-Potenziale auszuloten, bereisten im April und Mai des Jahres paritätische Experten-Teams die Werke. Erst zu diesem Zeitpunkt kam in den Opel-Belegschaften Unruhe auf.

Opel ist eine hundertprozentige GM-Tochter. Im Mai wurde für die ArbeiterInnen aus einer abstrakten Meldung über den Mutterkonzern ein konkretes Gerücht. Es kreiste um die Frage, was bei Ausgründungen mit den ArbeiterInnen der jeweiligen Abteilungen in den europäischen Opel-Werken passieren soll, und wie viele Arbeitsplätze den geplanten Synergieeffekten zum Opfer fallen werden.

Gerüchte gedeihen bekanntlich besonders gut, wenn die Informationslage besonders schlecht ist. Weder das Opel-Management noch der Gesamtbetriebsrat informierten die Belegschaft über die geplanten Folgen der Allianz - so erging es übrigens auch den Fiat-Belegschaften in Italien. Auf besonders guten Nährboden ist das entsprechende Misstrauen bei der Belegschaft von Opel Bochum gestoßen. Einerseits wurde ihr in den letzten Jahren immer wieder ihre Bedeutung versichert. Das Bochumer Werk ist das europaweite Stammwerk für das Modell Astra, in ihm wird auch das aktuelle Zugpferd Zafira gebaut. Zudem werden von Bochum fast alle europäischen Montagewerke mit Teilen wie Auspuff und Motoren beliefert. Andererseits haben mittlerweile zwei Standortsicherungsverträge nicht verhindert, dass die Belegschaft, die zunehmend unter so genannter Leistungsverdichtung leidet, deutlich schrumpft. Um diese Managementstrategie der »dünnen Personaldecke« gab es in der Bochumer Belegschaft in den letzten Jahren immer wieder Auseinandersetzungen. Heftige Kritik richtete sich auch gegen den Betriebsrat, der die Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen mittrug und ohne Erfolg auf die Strategie setzte, damit Arbeitsplätze zu retten.

Des Öfteren kam es in Bochum zu kurzen, spontanen Arbeitsniederlegungen. Auch wenn es Management und Betriebsrat meistens gelungen ist, diesen Unmut zu kanalisieren, änderte sich nichts an der Grundstimmung vieler ArbeiterInnen: »Wir haben die Schnauze voll!«

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass ausgerechnet in Bochum die Empörung über fehlende Informationen zur Allianz von Fiat und GM zu den weltweit ersten Protesten führte.

»Wir wollen Antworten!« lautete die erste Forderung. Um sie zu erzwingen, kam es am 26. Mai dieses Jahres zu einer einstündigen Arbeitsniederlegung. Am 30. Mai nahm die komplette Belegschaft an einer Info-Stunde für Vertrauensleute teil, um »ihr Informationsrecht wahrzunehmen«. Für jeweils zwei Stunden wurde in allen Bochumer Werken und Schichten die Produktion unterbrochen.

Die ArbeiterInnen wurden jedoch immer wieder mit dem Hinweis auf laufende Verhandlungen zwischen den Unternehmen und ihren Euro-Betriebsräten vertröstet. Auf Grund der sich verdichtenden Gerüchte über Ausgliederungen ganzer Bereiche in GmbH erkämpfte die Bochumer Opel-Belegschaft schließlich unter dem Motto »Wir wollen eine Belegschaft bleiben« eine vorgezogene Belegschaftsversammlung, die am 8. Juni fast acht Stunden dauerte und zu großen Produktionsausfällen führte. Erneut wurde die Belegschaft auf die Ergebnisse einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am folgenden Montag vertröstet.

Inzwischen musste auch der Geschäftsleitung klar geworden sein, was ein Vertrauensmann in folgende Worte gekleidet hatte: »Das hier ist die dritte und letzte Warnung - wenn Dienstag nichts Konkretes passiert, steht am Mittwoch die Bude Kopf!« Trotzdem gab es auch nach der außerordentlichen Aufsichtsratssitzung nur unklare Aussagen von Management und Gesamtbetriebsrat. Ein Tag später, am Dienstag, den 14. Juni, versammelte sich die komplette Bochumer Belegschaft zu Beginn der Frühschicht, um vom Betriebsrat Informationen zu erhalten. Kurz darauf stand die Produktion in allen Bochumer Werken still. Der Tenor lautete: »Sie haben neunzig Tage Zeit für Antworten gehabt und keine gegeben - nun antworten wir!«

Der darauf folgende spontane Streik von 13 500 KollegInnen in allen drei Bochumer Werken dauerte ungefähr dreißig Stunden. Vom zweiten Tag an ruhte die Produktion nach und nach auch in den wichtigsten europäischen Opel-Werken in Rüsselsheim, Kaiserslautern, Eisenach, Antwerpen und Ellesmere Port. Die mangelnde Teile-Zulieferung führte noch lange über den Streik hinaus zu Produktionsausfällen.

Dem Kostendruck von mindestens zehntausend europaweit nicht-montierten Autos ist wohl das abgerungene Verhandlungsergebnis zu verdanken: General Motors wird an den Holdings von GM und Fiat nicht mehr wie geplant mit fünfzig Prozent, sondern nur noch mit dreißig Prozent beteiligt sein. Zwanzig Prozent gehen an die Opel AG - mit der Folge, dass die GmbHs, die demnächst ausgegliedert werden, weiterhin zu Opel zählen und wie ein »gemeinsamer Betrieb« mit einem gemeinsamen Betriebsrat behandelt werden können. Damit verbunden ist, dass sowohl die ArbeiterInnen, die in diese GmbHs wechseln werden, als auch diejenigen, die neu eingestellt werden sollen, die gleichen Tarife und Sozialleistungen wie ihre Opel-KollegInnen erhalten. Durch die verhinderte Spaltung der Belegschaft - eine Forderung, die von der mitverhandelnden IG Metall bereits aufgegeben worden war - besitzen nun die Bochumer ArbeiterInnen bessere Bedingungen und größeres Selbstvertrauen für den Kampf gegen weitere Angriffe.

Es ist davon auszugehen, dass General Motors versuchen wird, diese unbefristete Zusage zu einer nationalen Rahmenvereinbarung, durch gesonderte Betriebsvereinbarungen für die GmbHs an den jeweiligen Standorten zu verwässern. Die Rahmenvereinbarung für deutsche Werke, mit der die internationale Messlatte relativ hoch gelegt worden ist, hat wahrscheinlich die Pläne des Konzerns durchkreuzt, zuerst eine europäische Rahmenvereinbarung abzuschließen, um dann nationale Verhandlungspartner in den Wettbewerb zu schicken. In diesem Sinne hat die erfolgreiche Aktion bei Opel Bochum bereits Wirkung gezeitigt: Auch bei General Motors in Brasilien und Fiat Italien kam es zu ersten Arbeitsniederlegungen.

Das war die - erfolgreiche - erste Halbzeit. Selbst der Opel-Vorstandsvize Wolfgang Strinz gab nach dem Streik zu, die starke Rolle Bochums als Komponentenwerk für ganz Europa unterschätzt zu haben. Und die Belegschaft kennt sie nun auch.

Die Autorin ist Industriesoziologin und Redakteurin des LabourNet Germany

Die Chronik des Streiks und alle Hintergründe sind zu finden unter www.labournet.de