Kwesi Owusu, Afrika-Koordinator von »Jubilee 2000«

»Jubilee 2000 hat Erfolge gehabt«

Mit der Kampagne »Jubilee 2000 - Drop the Debt« wird seit 1996 die Entschuldung armer Länder gefordert. Am 31. Dezember läuft die selbst gesetzte Frist zum Start in ein »schuldenfreies Jahrtausend« aus. Obwohl beim G 8-Gipfel im vergangenen Jahr in Köln die Streichung eines Teils der Schulden versprochen wurde und der Papst sowie Bill Clinton die Entschuldung befürworten, konnte bislang nur Uganda die hohen Anforderungen des IWF erfüllen und in den Genuss der Schuldenstreichung kommen. Die weltweite Kampagne wurde wegen ihrer marktgerechten Haltung u.a. von der unabhängigen Gruppe Jubilee South kritisiert. Kwesi Owusu ist der Afrika-Koordinator von Jubilee 2000, einem Bündnis aus kirchlichen und entwicklungspolitischen NGOs.
Von

Jubilee 2000 wird am 31. Dezember beendet. Hat die Kampagne ihre Ziele erreicht?

Jubilee 2000 hat es geschafft, die Themen Verschuldung und Armut im Süden auf die politische Agenda der Weltpolitik zu setzen. Jubilee hat Millionen von Menschen mobilisiert. Das war unser größter Erfolg. Wir haben durch Druck auf die Geberländer erreicht, dass sie in Köln im letzten Jahr die Streichung von 100 Milliarden US-Dollar Schulden versprochen haben.

Aber dieses Versprechen ist noch nicht eingelöst worden.

Die Bedingungen für die Schuldnerstaaten sind so schwierig, dass der Streichungsprozess nur sehr langsam erfolgt. Doch auch wenn die ganzen 100 Milliarden erlassen werden, was nach unserer Auffassung keineswegs sicher ist, wäre erst ungefähr ein Drittel der Schulden Afrikas getilgt. Um einen Entwicklungsprozess anzustoßen, muss es weitere Hilfe geben. Außerdem sind viele Staaten ausgeschlossen worden. Von den 52 Ländern, die wir als hoch verschuldete, verarmte Staaten betrachten, sind 20 in das Programm gelangt. Und bislang sind nur in Uganda tatsächlich Schulden gestrichen worden.

Dieses Programm wurde von den Gläubigern ausgearbeitet und gemanagt. Es gibt den armen Staaten keine Autonomie, nicht einmal ein Mitspracherecht.

Dieses Programm, dessen Bedingungen denen eines neuen Strukturanpassungsprogramms entsprechen, ist doch die Antwort der multilateralen Organisationen auf Ihre Kampagne.

Nein, der IWF besteht heute nicht mehr ausschließlich auf makroökonomischen Maßnahmen wie Inflationsbekämpfung und Exportförderung, sondern bezieht auch soziale Fragen mit ein. Außerdem wurden auch die Forderungen nach einer Reform der Institutionen und der Handelsbedingungen, die grundlegend für die Verhinderung einer neuen Schuldenkrise ist, gestärkt. Es geht ums Empowerment der armen Länder.

Warum hat Jubilee 2000 zwischen nicht-bezahlbaren Schulden und anderen Schulden unterschieden und die zweite Kategorie von der Kampagne ausgenommen? Diese Unterscheidung bedeutet doch, dass die Schulden immer noch legitim sind - obwohl die Zinszahlungen die ursprüngliche Kreditsumme zum Teil weit überschritten haben.

Wir argumentieren, dass die Armen nicht unter der Verschuldung ihrer Staaten leiden dürfen. Doch wir unterscheiden auch zwischen Schulden, die von Diktatoren zum eigenen Profit gemacht worden sind, und solchen, die durch Entwicklungsprojekte entstanden sind. Hierfür muss der Süden auch Verantwortung übernehmen. Am Prozess der Verschuldung haben beide Seiten teilgenommen, und keine ist unschuldig. Aber die Armen dürfen nicht darunter leiden, dass Diktatoren Gelder veruntreut haben.

Werden diktatorische Regime nicht durch Schuldenstreichung stabilisiert, was kaum im Interesse der jeweiligen Bevölkerung liegen würde?

Wir wollen nicht, dass diktatorischen Regimen geholfen wird. Aber die meisten Diktatoren sind doch gestürzt worden. Und Länder, die sich im Krieg befinden, sollen auch nicht profitieren. Wir wollen mit diesem Prozess Ansätze von »Good Governance«, Transparenz und Verlässlichkeit unterstützen. Es muss Garantien geben, dass die frei werdenden Ressourcen in die Verminderung von Armut investiert werden.

Jubilee 2000 hat nie spezifiziert, was mit der Zivilgesellschaft gemeint ist, die diese Garantien überwachen soll.

Wir meinen damit Organisationen der Menschen selbst - Marktfrauenvereinigungen und Farmerorganisationen zum Beispiel. Außerdem Nicht-Regierungsorganisationen, die einen breiteren politischen Ansatz haben, etwa Pro-Demokratisierungs-Organisationen oder Anti-Korruptions-Gruppen. In Uganda werden alle freien Gelder in einen Fonds eingezahlt, der von der Regierung und zivilen Organisationen gemeinsam verwaltet wird. Generell ist die Mitarbeit an dem Fonds offen. Der Prozess muss transparent sein. Jede Investition des Fonds wird in den Medien und durch Poster bekannt gemacht.

Sind viele von den NGOs im Süden in den letzten zehn Jahren nicht gerade entstanden, weil IWF und Weltbank versucht haben, Entwicklungsprojekte ohne die Regierungen durchzuführen? Die NGOs haben die quasi-staatliche Aufgaben übernommen. Ist das Zivilgesellschaft?

Wir meinen nicht die quasi-staatlichen NGOs. Tatsächlich hat der IWF versucht, die Macht der afrikanischen Staaten zu vermindern, um offene Märkte zu schaffen, die diese NGOs kontrollieren können. Gerade die NGOs, die vom Norden finanziert werden, sind durch Weltbank-Gelder unabhängig von der lokalen Bevölkerung und können von dieser für Fehlleistungen nicht verantwortlich gemacht werden. Diese Organisationen sind dem Norden verpflichtet. Früher haben die USA junge Freiwillige in Peace Corps geschickt, um in Afrika Gutes zu tun. Heute bilden sie NGOs.

Die kanadische Regierung hat kürzlich vorgeschlagen, Menschenrechtsfragen mit der Schuldenstreichung zu verbinden.

Ja, schließlich sorgt die Verschuldung mit dafür, dass das Recht auf soziale Sicherheit, wie es in der UN-Menschenrechtscharta steht, nicht verwirklicht werden kann. Die Rückzahlung der Schulden sorgt dafür, dass die Regierungen ihre sozialen Systeme abbauen.

Aber dieser Vorschlag bezog sich auf die bürgerlichen, nicht die sozialen Menschenrechte.

Dann sind das Bedingungen, die in einem politischen Sinn missbraucht werden. Es ist nichts Falsches daran, die Einhaltung von Menschenrechten zu fördern - aber das darf nicht zu einer weiteren Verzögerung der Schuldenstreichung führen.

In Opposition zu Jubilee 2000 hat sich die Kampagne Jubilee South gebildet, die radikalere Forderungen stellt. Sie argumentiert, dass der Norden wegen Kolonialismus, Sklaverei und Imperialismus Schulden gegenüber dem Süden hat und nicht umgekehrt; deshalb verlangt sie Reparationszahlungen.

Die Rhetorik von Jubilee South ist historisch gesehen richtig. Uns aber geht es um konkrete Politik und nicht nur um Rhetorik. Jubilee South hat keinen wirklichen Rückhalt in den Ländern des Südens. Wir kooperieren mit 25 afrikanischen Gruppen, die konkret an der Schuldenstreichung arbeiten und nicht nur Manifeste erstellen.

Jubilee South hat kritisiert, dass die nördlichen NGOs beanspruchen, für den Süden zu sprechen. Jubilee 2000 etwa wurde in Großbritannien gegründet.

Ich bin aus Ghana. Wir haben das Recht, uns selbst zu organisieren. Aber das müssen wir doch nicht in Opposition zu irgendjemandem machen. Es geht um die richtige Politik, um die richtigen, praktischen Strategien. Und die können nur in den Kampagnen selbst entstehen. Tatsächlich war für unseren Erfolg im Süden grundlegend, dass die Gruppen dort von dem Kampf von Jubilee 2000 im Norden profitiert haben. Jubilee South dagegen betont Selbstorganisation und nicht globale Solidarität.

Jubilee 2000 soll nach dem 1. Januar als Jubilee Plus International weiterbestehen und sich stärker auf die unbearbeiteten Ursachen der Schuldenkrise beziehen. Ist es möglich, die komplexen Zusammenhänge in der Weltwirtschaft zu einem Kampagnenthema zu machen?

Als Jubilee 2000 angefangen hat, haben ebenfalls viele Leute gesagt, das Thema Schuldenstreichung sei zu kompliziert. Trotzdem haben wir Erfolg gehabt.