Alternative Lebensformen

Coupon sei Dank

Wie die Einwohner einer Stadt außerhalb ihrer Grenzen gesehen werden, lässt sich am einfachsten anhand der ihnen zugedachten Werbung beurteilen. So landete vorige Woche in Berliner Briefkästen ein eigens auf die Bedürfnisse der Hauptstadtbewohner zugeschnittenes Couponheftchen, in dem neben Gewinnspielen auch Gutscheine für zahlreiche Dienstleistungen angeboten werden. Eigentlich recht harmlos, will man meinen, doch nach wenigen Seiten zeigt sich, wie der Berliner eingeschätzt wird.

Zunächst einmal als nicht besonders solvent. So werben gleich mehrere Firmen mit Sofortkrediten bis 50000 Mark. Man braucht bloß einen »guten Namen«, um an das schnelle Geld heranzukommen, mehr nicht. Dann geht alles ganz flott: Die beigelegte Postkarte ausfüllen, erklären, wieviel man netto »ohne Kindergeld« verdient und schon wird der gewünschte Betrag überwiesen. Vorausgesetzt, man hat sich vorher per Unterschrift »verpflichtet, das Darlehen promt zurückzubezahlen«.

Groß nachdenken, wofür man den Kredit verwenden könnte, muss man dank des Couponheftchens nicht mehr. Dem Berliner Hang zur Wohnungsverschönerung etwa trägt das Heftchen mit zahlreichen Angeboten Rechnung: »Eiserne Heizkörpergerippe sind unschön und wirken kalt«, dekretiert zum Beispiel die Firma Mebo Heizkörperverkleidung, bei der man den Katalog »Edle Heizkörperverkleidung« ordern kann. Nur eine Seite weiter wird das »Gratis Luxusringbuch Home Decoration« angepriesen, zum einmaligen Sonderpreis von 4,90 statt 39,90 DM.

Wenn auf diese Weise schließlich ein kuscheliges Nest gebaut wurde, dann wird es Zeit, die passende Frau zu finden. Dafür reicht es, eine Postkarte an das »berühmte Medium Maria Duval« zu schicken - denn der Berliner hat zweifellos einen Hang zum Spirituellen. Auf der Karte müssen nur wenige und zudem einfache Fragen beantwortet werden: »Denken Sie, dass sie unter einem unglücklichen Stern geboren sind, ja oder nein?«, »Sind Sie pensioniert?«, oder: »Brauchen Sie dringend Geld? Wenn ja, wieviel?« Sogleich antwortet Maria Duval, die in der Presse auch »als menschliches Radar bezeichnet« wird, mit der Aufforderung, »das 3 cm große Kreuz der sieben Wünsche« loszuschicken, und sogleich sei die passende Frau zur Stelle.

Der kann man dann gleich die neu erworbene Münzsammlung zeigen. »Wussten Sie, dass ein 2-Pfennig-Stück bis zu 2 000 Mark wert sein kann?« locken nämlich Sammlerfachzeitschriftenanbieter den traditionell gierigen Berliner. Doch mit vergoldeten Pfennigstücken und seltsamen anderen Sonderprägungen kann man Frauen von heute nicht unbedingt beeindrucken.

Deswegen sollte man ein »Künstlersternzeichen mit persönlichem Glücksstern« bestellen, das mit »uralten Heilkräften der Natur« ausgestattet ist. Das hilft. Denn der Berliner kränkelt leicht. Dank cholesterinfreier Suppe und zahlreichen Kräutermischungen ist er schnell wieder fit. Dann klappt es ganz sicher auch noch mit der Frau, die notfalls per Katalog bestellt werden kann, falls das Duvalsche Kreuz nicht die rechte Wirkung gezeigt hat. Die Auserwählte richtig auszustatten ist auch kein Problem, denn gleich mehrere Ausstatter »für die stärkere Dame« bieten Kleider in Zeltform, »für reife Frauen, die Größe zeigen«. Ungefähr 50 weitere Coupons sorgen dann für den richtigen Zeitvertreib zu zweit. Citykupon sei Dank.