Suche nach dem Daewoo-Gründer

European Vacation

Drei südkoreanische Gewerkschafter suchten in Europa erfolglos den verschwundenen Gründer des Daewoo-Konzerns. Jetzt sucht Interpol nach Kim Woo-Choong.

Hwang Lee-Min, Wi Man-Hyong und Park Jom-Kyu waren nicht zum Spaß nach Europa geflogen. Die drei ehemaligen Angestellten des zusammengebrochenen südkoreanischen Daewoo-Konzerns suchten nach dessen Gründer, Kim Woo-Choong. Er wird beschuldigt, Daewoo Motors absichtlich in den Bankrott geführt zu haben.

Das Trio, das am 20. Februar in Paris eintraf, war danach zwei Wochen lang per Fahrrad in Europa unterwegs. An ausgewählten Orten wurden Suchplakate aufgehängt und verteilt, die für Hinweise auf Kims Aufenthaltsort eine Belohnung in Höhe von 500 Dollar versprechen. Mit dieser symbolischen Aktion sollte die Verhaftung des vermutlich in Europa untergetauchten Top-Managers sowie die Beschlagnahmung seines Privatvermögens erreicht werden. Am 5. März reisten die drei wieder ab. Ohne Kim gefunden zu haben.

Kim Woo-Choong war Ende 1999 zu einem angeblichen Geschäftstermin in China aufgebrochen, was nicht weiter ungewöhnlich ist für einen Manager, der sich gern damit brüstete, 200 Tage im Jahr für die Firma unterwegs zu sein. Kurz danach zeichnete sich jedoch der Zusammenbruch seines Konzerns ab. Im Februar wurden fünf ehemalige Top-Manager wegen des Vorwurfs der Finanzmanipulation und der Devisenvergehen verhaftet, darunter zwei von Daewoo Motors. Sie sollen nach Angaben der Staatsanwaltschaft Milliarden-Kredite auf ausländischen Geheimkonten deponiert und später Teile davon in andere Länder verschoben haben.

Drei weiteren früheren Vorsitzenden von Daewoo-Tochterunternehmen war zuvor vorgeworfen worden, die Rechenschaftsberichte von mindestens fünf Firmen gefälscht zu haben. Um rund 38 Milliarden Mark wurden die Vermögenswerte vergrößert, während man die tatsächliche Schuldenhöhe verschleierte. Damit sollte die Beschaffung dringend benötigter Kredite erleichtert werden.

Aus ähnlichen Gründen wird auch nach dem Konzerngründer Kim Woo-Choong gefahndet. Er soll von südkoreanischen Banken umgerechnet knapp 20 Milliarden Mark erschlichen und sich damit einen privaten Geheimfonds geschaffen haben. Angeblich leitete er 1998 und 1999 etwa 2,5 Milliarden US-Dollar von Daewoo Motors auf seine geheimen Privatkonten um.

Dabei galt der »Vorsitzende Kim«, wie er sich gern nennen ließ, noch vor wenigen Jahren als Personifikation des koreanischen Wirtschaftswunders. Westliche Wirtschaftsjournalisten bezeichneten sein Modell lange Zeit als nachahmenswert. Begeistert schrieben sie seine Lieblingsfloskeln mit: »Nichts kommt von selbst und nichts ist zufällig. Je tiefer man gräbt, desto größer wird das Loch«. Und sie glaubten ihm, wenn er verkündete, es gehe ihm nicht ums Geld, sonst hätte er »ja auch einfach 200 McDonald's-Filialen aufmachen können«. Schließlich, so erzählte man, habe Kim sein auf mehrere Milliarden Dollar geschätztes Privatvermögen in eine karitative Stiftung eingebracht.

Der märchenhafte Aufstieg Kims zum Präsidenten eines Weltkonzerns mit 25 Betrieben, 277 internationalen Niederlassungen, 3 000 Top-Managern und fast 200 000 Mitarbeitern begann im Jahr 1967. Damals lieh sich der Angestellte einer Nähmaschinen-Nadel-Fabrik von seinem Freund Too Dae ein paar hundert Dollar, um einen eigenen Konfektionsbetrieb zu eröffnen. Daewoo - der Markenname ergibt sich aus den zusammengezogen Vornamen der beiden - war geboren. Bis nach Europa und in die USA exportierte man bald Kleidung, deren Schnitte man ungeniert bei anderen Herstellern kopiert hatte. Ein erfolgreicher Textilkaufmann zu sein, reichte Kim bald nicht mehr. Der Daewoo-Konzern produziert Textilien, Campingzubehör, Computer, Flugzeuge, Waffen, Parfüm, Klaviere, Haushaltsapparate und Autos.

Unter den 500 führenden Industrieunternehmen der Welt lag Daewoo bis zur Pleite immerhin an 33. Stelle, im Automobilsektor war das Untenehmen führend in der Region, was wohl auch vom Staat ermöglicht wurde. So schrieb der niederländische Telegraaf, dass Regierung und Betriebe derart miteinander verwoben seien, »dass ein Unterschied kaum auszumachen ist«.

Die guten Beziehungen halfen Anfang des Jahres jedoch nicht mehr weiter. Die Regierung hatte zwar noch Rüstungsaufträge in Milliardenhöhe angekündigt, nun möchte sie die unter Zwangverwaltung stehenden Unternehmen aber so schnell wie möglich loswerden. Der Automobilsparte hatte man zunächst die größten Chancen eingeräumt, schließlich waren renommierte Firmen wie Fiat und General Motors (GM) gleich nach dem Zusammenbruch als Interessenten aufgetreten.

Eine Übernahme blieb jedoch bisher aus, obwohl Daewoo Motors schon mehrere Tausend Arbeitsplätze abbaute, um für Investoren attraktiver zu werden. In Südkorea war Ende letztens Jahres beschlossen worden, die dortigen Stellen auf ein Drittel zusammenzustreichen. Dies hatte zu heftigen Protesten geführt (Jungle World, 10/01), die nach der Wiedereröffnung des Hauptwerks in Pupyong am 7. März erneut aufflammten. Auch im polnischen Werk wurden 750 Mitarbeiter entlassen, weitere sollen folgen.

Ein gerichtlich bestellter Verwalter soll nun die Leitung von Daewoo übernehmen. Er muss sich beeilen, weil die Zulieferer in Südkorea inzwischen auf Barzahlung bestehen und damit die weitere Produktion gefährdet ist. In einigen europäischen Häfen werden Autos derzeit nicht ausgeladen, weil Schifffahrtsgesellschaften die Zahlung überfälliger Frachtgebühren verlangen. General Motors ist nun zur letzten Hoffnung geworden. David Healy von der Investmentbank Burnham Security beurteilte die Chancen im Magazin Forbes jedoch äußerst pessimistisch. Bei Daewoo Motors handele es sich um »eine Büchse voller Würmer«, sagte er, »für die GM bereit sein soll, 5,9 Milliarden Dollar zu bezahlen. 5,90 Dollar wären wohl angemessener.«

Den großen Vorsitzenden Kim Woo-Choong musste das bislang nicht weiter kümmern. Nicht nur Hwang Lee-Min, Wi Man-Hyong und Park Jom-Kyu waren davon überzeugt, dass sich die südkoreanische Staatsanwaltschaft im Fall Kim nicht besonders anstrengt. Am 8. März jedoch hat Südkorea über Interpol einen internationalen Haftbefehl ausgestellt.