Wahlkampf in Wien

Schuss ins Leere

Im Wahlkampf für den Wiener Landtag wirbt die FPÖ mit rassistischen und antisemitischen Parolen.

Die Einwanderung nach Österreich solle beendet werden und mit der »vorzeitigen Einbürgerung« von Ausländern müsse sofort Schluss sein. Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hat den Rassismus wieder zu ihrem zentralen Thema erhoben, diesmal anlässlich der Wiener Landtagswahlen am kommenden Sonntag. Diese Taktik der FPÖ ist mittlerweile Routine. Bereits bei den Parlamentswahlen 1999 hatte sie mit der Forderung nach einem »Stopp der Überfremdung« geworben.

Dennoch wird in Österreich wieder einmal aufgeregt darüber diskutiert, ob die FPÖ eine rassistische und antisemitische Partei sei. Dabei müsste die einzig mögliche Antwort nach jahrzehntelanger Hetze lauten: Was denn sonst? Auch in den letzten Wochen lieferte die FPÖ gleiche mehrfach den Beweis für ihre politischen Ambitionen.

Zunächst ging Jörg Haider am Aschermittwoch auf Ariel Muzicant los, den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde. Dabei fantasierte er darüber, wie einer, der Ariel heiße, soviel »Dreck am Stecken« haben könne.

Am letzten Wochenende legte Haider nach und bezeichnete Muzicant in der konservativen Presse als »einen der Hauptverantwortlichen für die unerträgliche Hetze gegen unser Land nach Bildung der FPÖ/ÖVP-Koalition«. Muzicant hat inzwischen Klage gegen Haider eingereicht und dessen Wahlkampf als rassistisch und antisemitisch verurteilt. Zudem warf er der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) vor, zur Hetze ihres Koalitionspartners zu schweigen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) hatte sich zwar von Haiders Äußerungen nach längerem Zögern distanziert, sie aber nicht ausdrücklich als antisemitisch verurteilt.

Umgehend produzierten sich weitere Chargen der Freiheitlichen mit dem Ruf nach »ausländerfreien« Bezirken. Vergangene Woche erklärte dann der FPÖ-Kandidat Peter Schumann vor Journalisten, er fühle sich in einer »braunen Partei wohl« und habe auch »kein Problem mit rassistischen oder ausländerfeindlichen Themen«. Soviel Offenheit schien seiner Partei mitten im Wahlkampf doch nicht opportun zu sein - Schumann musste von seiner Kandidatur zurücktreten.

Der üblichen Skandaldramaturgie der FPÖ folgend, wurden alle Aussagen umgehend abgestritten, relativiert oder zum unverstandenen Witz erklärt. Die Aufregung über die Vorfälle hält verständlicherweise trotzdem an. Die Frage ist nur, ob die öffentliche Auseinandersetzung darüber sinnvoll ist.

Denn dank dieser Debatte braucht die FPÖ ihre ideologischen Inhalte nicht mehr selbst zu formulieren. Medien und Opposition lassen sich auf spitzfindige Begriffsverwirrungen ein, eine Heerschar beflissener Exegeten trägt durch akribische Pro- und Contra-Analysen die rechten Ideologeme in die Öffentlichkeit, ohne dass die Partei noch direkt involviert ist. Einer ähnlichen Strategie der indirekten Rede folgt auch die blaue Plakatkampagne, die sich damit begnügt, potenzielle rot-grüne Wahlaussagen zugespitzt zu wiederholen.

So ist der Stadtraum voller FPÖ-Plakate, die mit dem Slogan »Wahlrecht für Ausländer!« versehen sind und diese Aussage einer möglichen rotgrünen Koalition zuschreiben. Auch diese Rhetorik folgt dem Prinzip, durch möglichst wenig konkrete Aussagen möglichst viel Ressentiment zu produzieren.

Die formelhafte Inszenierung sich endlos wiederholender rassistischer und antisemitischer Provokationen, aber auch empörter moralischer Reaktionen darauf, indiziert jedenfalls keinen Ausnahmefall, und auch keine »Entgleisungen«, sondern eines der grundlegenden Rituale der Normalisierung antisemitischer und rassistischer Affekte. Auch die Kritik daran wirkt als Verstärkung. Es würde der FPÖ viel mehr schaden, sie öffentlich dafür zu loben, dass sie keine Rassisten seien. Falls es gelänge, diesen falschen Eindruck zu erwecken, würden sie tatsächlich schwere Stimmenverluste erleiden.

Den Wählern ist die mediale Empörung ohnehin egal, wie überhaupt der Großteil des Wahlkampfs. Nach neuesten Umfragen liegt die FPÖ als zweitstärkste Partei bei 23 Prozent. Das sind nur vier Prozent weniger als bei der letzten Gemeinderatswahl. Die SPÖ liegt bei 44 Prozent, die Grünen haben ihren Stimmenanteil derzeit auf 14 Prozent verdoppelt. Diese Umfrageergebnisse sind angesichts der sozialen Kahlschlagpolitik der Regierung erstaunlich. Die parlamentarische Opposition hat sich sehr zurückgehalten und konnte daher kaum von der Regierungspolitik profitieren.

Der außerparlamentarischen Opposition gelingt es derzeit wenigstens, bisher unbekannte Konflikte zu erzeugen. Eine Wahlkundgebung der so genannten Zivilgesellschaft, die von mehreren politischen Gruppierungen, unter ihnen MigrantInnenorganisationen, am vergangenen Freitag veranstaltet wurde, erbrachte zumindest eine interessante Konstellation. Die Veranstaltung erwies sich als seltsames Konglomerat aus antirassistischen und humanitären Forderungen.

Dies wurde schon in der eigenartigen Titelgebung evident. Während etwa das Austrian Network against Racism die Losung »Gleiche Rechte für alle« bevorzugte, wurde die Kundgebung dennoch überraschend mit dem spektakelhaften Titel »Gesicht zeigen! Stimme erheben!« beworben. Trotz dieser unverhohlenen Anbiederung an die Rhetorik der Neuen Mitte verweigerten sowohl die SPÖ als auch die Gewerkschaften ihre Unterstützung.

So geriet die so genannte Zivilgesellschaft in die Lage, tatsächlich ohne die Zustimmung einer Partei und somit ohne Massenbasis operieren zu müssen.

Da sich die Zivilgesellschaft als Minderheitsprogramm erwies, griff André Heller auf den klassischen national-liberalen Appell »für ein Österreich, das seinen Namen verdient« zurück, als wolle er die Abwesenden zumindest verbal integrieren. Das war der patriotische Auftakt für eine Vielzahl von vulgärpsychologischen Toleranzpredigten zugunsten des »Fremden in einem selbst«, wie eine der populären Floskeln des Abends lautete.

Hinter dieser Form depolitisierter Rhetorik steckt das herablassende Kalkül, dass die unwissenden Massen nur durch Sentimentalität zu einer paternalistisch-toleranten Haltung bekehrt werden können. Das Problem war nur: Die Massen hatten es vorgezogen, erst gar nicht zu erscheinen. Ihre Leitpartei SPÖ war vor den Wahlen nicht davon zu überzeugen, ihre Klientel durch unerhörte Forderungen nach Gleichberechtigung für Migranten zu verschrecken.

Erschienen waren bloß die üblichen Dauerdemonstranten, deren politisches Bewusstsein auch ohne Toleranzappelle ausgekommen wäre. Die sentimentale Strategie erwies sich damit, wie der Mitorganisator Ljubomir Bratic meinte, als »ein Schuss ins Leere«.