Debatte um Arbeitslose

Ab auf die Felder

»Wer Leistungen bezieht, soll auch Leistungen erbringen«, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz in der vergangenen Woche. Wer Arbeit ablehne, dem sollten alle finanziellen Zuwendungen gestrichen und stattdessen nur noch Essensgutscheine ausgehändigt werden, ergänzte der sozialpolitische Sprecher der Union, Karl Josef Laumann. Der Vorschlag ist bekannt, er wird bereits bei Flüchtlingen praktiziert. Nun kommt die nächste »Minderheit« ins Visier der Sozialpolitiker. Jetzt sind es die Arbeitslosen, die »Sozialschmarotzer«, denen von Unionspolitikern gerade noch das nackte Existenzrecht zugesprochen wird.

Doch die konservative Opposition hat es schwer, die rot-grüne Regierung mit restriktiven Forderungen noch zu überbieten. Schließlich hatte kurz zuvor bereits Bundeskanzler Gerhard Schröder den »Drückebergern« den Kampf angesagt und erklärt, dass es in dieser Gesellschaft »kein Recht auf Faulheit« gebe. Und den Vorschlag der Union, die Sozial- und Arbeitslosenhilfe zusammenzufassen, will Arbeitsminister Walter Riester jetzt in Modellprojekten erproben.

Wer kann, muss arbeiten. Sonst wird ihm das Leben schwer gemacht - auch wenn es gar keine Arbeit gibt. So hat sich in den letzten 20 Jahren die Zahl der Sozialhilfeempfänger mehr als verdoppelt, wie dem am vergangenen Mittwoch vorgestellten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zu entnehmen ist. Während Anfang der achtziger Jahre etwa eine Million Personen beim Sozialamt gemeldet waren, sind es jetzt fast 2,4 Millionen. Ähnliches gilt auch für die Arbeitslosenzahlen.

Und selbst wer schuftet, ist vor Armut nicht gefeit. Nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung leben 900 000 Menschen in Deutschland von einem Einkommen unterhalb der Sozialhilfe, obwohl sie voll beschäftigt sind. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, jedenfalls nicht zum Guten. Der High-Tech-Kapitalismus braucht immer weniger Arbeitskraft, um immer mehr zu produzieren. Die Zahl der Überflüssigen wächst. In Berlin beispielsweise kommen auf eine viertel Million Erwerbslose gerade mal rund 7 000 offene Stellen. Wer diese Relationen einfach ignoriert, ist entweder nicht ganz bei Trost oder er macht es mit Kalkül.

Denn dass die Arbeitslosigkeit strukturell bedingt ist, dürfte auch im Bundeskanzleramt und im Adenauerhaus bekannt sein. Die groteske Debatte über die faulen Arbeitslosen verfolgt daher vor allem einen Zweck: Wenn schon die Arbeitslosigkeit nicht in den Griff zu bekommen ist, dann macht man eben den Arbeitslosen Beine.

Schließlich hatte Schröder zu Beginn seiner Amtszeit postuliert, dass sein Erfolg an der Zahl der Arbeitslosen zu messen sei. Sie müssen weg - egal, zu welchem Preis. Friedrich Merz hat für Schröder auch schon einen Vorschlag, wie die Drückeberger zu beschäftigen sind. Er entdeckte in den brandenburgischen Spargelfeldern und Gastwirtschaften noch unerschöpfte Arbeitsreservoire.

Originell ist das nicht. Bereits Mitte der neunziger Jahre hatten Arbeitsämter den Plan entwickelt, Arbeitslose als Erntehelfer zu verpflichten. Damals konnte diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wegen des Widerstands der Erwerbslosen nicht durchgesetzt werden. Aber nachdem Schröder bereits die Rhetorik Kohls gegen die Drückeberger aufgegriffen hat, warum soll er nicht auch die Konzepte zur Arbeitslosenbekämpfung übernehmen? Vielleicht glückt den Sozialdemokraten ja, was in schwarzgelben Zeiten noch nicht möglich war.