Titanic vs. Stuckrad-Barre

Le frisur

Benjamin von Stuckrad-Barre ist lustig. Und er ist Pop. Das hat er oft genug bewiesen. Er sitzt in biederen Talkshows und macht den Kasper. Er arbeitete für die Harald Schmidt-Show. Er schreibt Schmunzeltexte für Allegra, er schreibt für den stern, er war witzig in taz und FAZ, und seine unzähligen Bücher beweisen Humor. Doofe nennt er doof.

Titanic ist ein lustiges Magazin. Und es ist Pop. Das hat es oft genug bewiesen. Oft macht es gute politische Scherze, manchmal weiß es jedoch nur, dass Politiker doof sind. Und manch ein Scherz in Titanic ist leider nichts als dumm, weil aus der Not fehlender Anzeigen und verbleibenden Weißraums geboren.

So auch dieser. Die Titanic druckte in den Ausgaben Mai und Juli Werbeanzeigen für Lesungen Stuckrad-Barres und bildete dabei anstelle von Stuckrad-Barre den Mörder Stefan Jahn und den hingerichteten Attentäter Timothy McVeigh ab. Die Redaktion erklärte den Scherz müde mit »der frappierenden Frisurenähnlichkeit«, was natürlich keine hinreichende Begründung ist. Fragte man nach dem tieferen satirischen Gehalt, so käme die Parallelisierung von Sexualstraftaten und Bombenattentat mit schlechter Schreibe zum Vorschein. Das ist mehr als fragwürdig. Bestenfalls gelang der Titanic also ein dummer Hippiescherz, der noch dümmer wird, wenn man ihn erklären muss.

Es traf allerdings einen Autor, dessen Humor oft dem der Titanic ähnelt. Zumal Stuckrad-Barre sich gern selbst über anderer Leute Frisuren lustig macht. Umso unverständlicher seine Reaktion: Heftiger noch als Pur-Sänger Hartmut Engler auf Stuckrad-Barre reagierte (Barre über Engler: »Eine Frisur findet nicht statt.«), handelte dieser, indem er eine einstweilige Verfügung gegen Titanic erließ, die die weitere Auslieferung des Juli-Heftes untersagt. Damit stellt er sich in eine Reihe mit McDonald's, Bischoff Dyba und Helmut Markwort.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass Stuckrad-Barre jemanden vor Gericht zerrt. Die Klage gegen den Internet-Dienstleister Thema1, der einen dämlichen Toilettenwitz über ihn verbreitete, brachte dem Popstar laut SZ ein Schmerzensgeld von 30 000 Mark ein. Nun geht es gegen die Titanic, mit solchen Klagegründen: Es werde »der Eindruck erweckt, dass der Antragsteller hingerichtet worden sei und er deswegen keine Lesung mehr abhalten kann.«

Das ist natürlich bei allem der größte Unfug, und jetzt ist das Jammern groß. Denn obschon Stuckrad-Barre immer vorgegeben hat, er sei ein Autor von großer Medienkompetenz, hat er offensichtlich nicht erwartet, dass die spießbürgerliche Biederkeit, die sein Vorgehen offenbart, von der Titanic für weitere Witze benutzt wird. Er hatte nicht einmal erwartet, dass die Titanic die Klage öffentlich macht und aus Anwaltsschreiben zitiert. Und er hatte nicht mit dem Rest der Presse gerechnet. Die SZ nannte ihn bereits »den neuen Dyba«, die von Stuckrad-Barre gern geschmähte Frankfurter Rundschau hält ihren Hohn nicht zurück und die Website des Musikblattes Intro kann die Beiträge enttäuschter Fans kaum noch auflisten.

Wenn man so will, hat der Medienhypestar Stuckrad-Barre gerade sein Image getötet, da er sich einen falschen Gegner ausgesucht und da er offensichtlich die Medienmechanismen doch nicht so gut verstanden hat, wie er glaubte. Der, der vor allem berühmt war, weil er jung war, sieht nun ganz alt aus. Die Titanic aber darf sich freuen. Jetzt sieht ihr ursprünglich blöder Witz ziemlich gut aus.