Regierungskrise nach den Kommunalwahlen

Zu tief ins Glas geschaut

In Portugal bahnt sich nach dem Debakel der Sozialisten bei den Kommunalwahlen ein Machtwechsel an.

Der Mann gilt als mittelmäßig und war bislang nur mit bescheidenem Erfolg gesegnet. Niemand hätte José Durão Barroso noch vor kurzem zugetraut, das wichtigste Amt im Lande zu übernehmen. Jetzt könnte bald seine Stunde kommen. Der Spitzenkandidat der konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD) hat realistische Chancen, der nächste Regierungschef Portugals zu werden. Gut möglich, dass wie in Österreich, Italien und zuletzt Dänemark nun auch im westlichsten Staat der EU die Konservativen wieder an die Macht gelangen.

Nachdem die regierende Sozialistische Partei (PS) bei den Kommunalwahlen Mitte Dezember eine der größten Schlappen in ihrer Geschichte erlitten hatte, trat Regierungschef António Guterres von seinem Amt zurück. Am vergangenen Freitag setzte Staatspräsident Jorge Sampaio für den 17. März Neuwahlen an. Gute Aussichten also für Barroso.

Besonders bedeutsam für die Sozialisten war ihre Niederlage in Lissabon. Seit 1989 wurde die Hauptstadt von einem Bündnis der PS mit den Kommunisten (PCP), den Grünen und der linksgerichteten Volksunion unter der Führung von João Soares (PS), dem Sohn des früheren Staatspräsidenten Mário Soares, regiert. Der Erfolg bei den Kommunalwahlen galt als sicher. Unter dem romantischen Motto »Amar Lisboa« (Lissabon lieben) trat das Bündnis zuversichtlich an.

Doch dann kam alles anders. Der amtierende Bürgermeister wurde, wenn auch nur mit wenigen Hundert Stimmen Mehrheit, von seinem konservativen Herausforderer Pedro Santana Lopes geschlagen. »Ein epochaler Sieg«, triumphierte Lopes wenig später, die »linke Volksfront« sei jetzt endgültig passé. Bei vielen Konservativen gilt die Allianz von Lissabon als letztes Relikt der Nelkenrevolution, die 1974 die faschistische Diktatur beendete. Die »Rheuma-Brigade« von Soares habe ausgedient, spottete denn auch die liberale Wochenzeitung Expresso.

Dabei ist auch Lopes alles andere als eine charismatische Figur. Er habe schon in seiner Kindheit gerne mit Lego-Bausteinen gespielt, heißt es beispielsweise in seiner offiziellen Wahlbiographie. Sein späteres Interesse an städtebaulichen Fragen sei daher schon früh erkennbar gewesen.

Für die regierenden Sozialisten bedeuteten die vermeintlich langweiligen Kommunalwahlen ein politisches Fiasko ohnegleichen. Die PS verlor alle großen Städte des Landes - neben Lissabon auch Porto, Coimbra, Faro und Setúbal - an die konservative Opposition. »Diese Niederlage ist meine Niederlage«, sagte Guterres nach dem vernichtenden Ergebnis. Er will sich ganz aus der Politik zurückziehen und hat auch den Vorsitz der PS niedergelegt.

Für die Sozialisten könnte es daher am 17. März knapp werden. Sie verfügen zwar bislang im Parlament noch über eine Mehrheit, doch ihre besten Zeiten scheinen vorbei zu sein. Guterres hatte das Amt des Regierungschefs 1995 übernommen. Er brachte anschließend immerhin das Kunststück fertig, zum ersten Mal seit dem Sturz der Diktatur mit einer Regierung eine ganze Legislaturperiode durchzustehen.

Nun bereitet sich die PS schon auf den drohenden Verlust ihrer Mehrheit vor. Sie hat Bauminister Eduardo Ferro Rodrigues, der sich selbst als »Mann der Linken mit humanistischer Orientierung« bezeichnet, zu ihrem neuen Vorsitzenden gekürt. Mit Rodrigues an der Spitze, so das Kalkül, wäre eine Koalition mit den Kommunisten möglich, falls die Mehrheit verloren geht.

Ob die PCP den Sozialisten überhaupt helfen kann, ist jedoch mehr als fraglich. Mit 1,41 Prozent der Stimmen hat die Partei nicht nur ihr schlechtestes Wahlergebnis aller Zeiten eingefahren. Sie ist zudem durch einen langwierigen Machtkampf zwischen »Erneuerern« und »Orthodoxen« hoffnungslos zerstritten.

»Ich fühle mich als Kommunist und werde Kommunist bleiben«, erklärte João Amaral, ein Parlamentsabgeordneter der PCP, erst in der vergangenen Woche kämpferisch in einem Interview. Er dürfte ebenso wie viele seiner Genossen nur schwer für eine Koalition mit der PS zu begeistern sein. Besonders in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sind die Vorstellungen kaum vereinbar.

Bislang stieß der Regierungskurs bei der Linken auf heftige Kritik. Als im Juli dieses Jahres Guterres sieben Minister auswechselte, darunter die der Ressorts Finanzen, Wirtschaft und Verteidigung, gehörte nur einer von den Neuen der PS an, die anderen waren parteilose Technokraten. Selbst Politiker vom linken Flügel der PS kommentierten damals, Portugal habe nun eine »christdemokratische Regierung mit einigen Sozialisten«.

Dabei hielt sich Guterres lange Zeit seine erfolgreiche EU-Politik zugute und präsentierte sein Land als europäischen Musterschüler. Von der wirtschaftlichen Entwicklung und der umfangreichen finanziellen Unterstützung aus Brüssel profitierten allerdings vor allem die Küstenregionen. Lissabon feierte noch vor drei Jahren die Expo als eines der wichtigsten Ereignisse der Stadtgeschichte. Zahlreiche Viertel wurden umgestaltet, eine neue Brücke über den Tejo entstand.

Während die Großstädte und die Touristenregion an der Algarve ihre Infrastruktur ausbauen konnten, leidet das Hinterland nach wie vor unter Armut, Landflucht und Überalterung. Zudem hat es im Bildungswesen, noch in der Sozialpolitik oder im Gesundheitswesen die Reformen gegeben, die Guterres bei seinem Amtsantritt versprach. Heute lebt jeder fünfte Portugiese an der Armutsgrenze, eine nennenswerte finanzielle Unterstützung gibt es nicht.

Auch den Mittelschichten geht es schlechter. In den neunziger Jahren holten viele Portugiesen nach, was sie sich zuvor nicht leisten konnten. Und zwar zumeist auf Pump. Das Land hatte in dieser Zeit, gemessen an der Bevölkerungszahl, in ganz Europa die höchsten Zuwachsraten beim Autokauf, die Telekom-Industrie entwickelte sich geradezu euphorisch. Seitdem die Konjunktur stagniert und die Zinsen steigen, häufen sich die Pleiten.

Neben den schlechten Wirtschaftsdaten schadeten zahlreiche Korruptionsskandale und die offensichtliche Inkompetenz einiger Minister dem Ansehen der Regierung. So musste Guterres in seiner zweiten Amtszeit den Haushalt zweimal nachbessern, da sich sein Finanzminister Joaquim Pina Moura mehrmals verrechnet hatte. Am Ende fehlten ihm einfach ein paar Milliarden Euro.

Moura gilt als einer der unfähigsten Minister in diesem Amt. Der Regierungschef hatte ihn zuerst zum Wirtschafts- und dann auch noch zum Finanzminister ernannt. Der »Superministro«, ein ehemaliges Mitglied der Kommunistischen Partei, hatte zwar zehn Jahre lang Ökonomie studiert, aber nie praktische Erfahrungen gesammelt.

Im vergangenen Sommer legte er dann ein 50-Punkte-Sparprogramm vor, um das Haushaltsdefizit zu senken. Selbst die Austragung der Fußballeuropameisterschaft im Jahr 2004, ein nationales Prestigeprojekt ersten Ranges, steht seither in Frage. Die Hochgeschwindigkeitstrasse Lissabon-Madrid, geplant, um die Fußballfans nach Portugal zu bringen, ist bis auf weiteres auf Eis gelegt. Das war dann selbst Guterres zu viel. Moura musste gehen.

Nach dem Wahldesaster scheinen nun auch die Sozialisten zu erkennen, dass mit technokratischen Reformen allein die Portugiesen nicht zu gewinnen sind. In seiner Weihnachtsansprache beschrieb Guterres die »zwei großen Probleme, die die portugiesische Gesellschaft beschäftigen: die Arbeitslosigkeit und die Armut«. Auch der wichtigste Mann in der sozialistischen Regierung, der neue Finanzminister Guilherme d'Oliveira Martins, erklärte im Expresso, »das Erbe von Guterres verbietet neoliberale Lösungen«.

Ob den Sozialisten die neue Erkenntnis viel nützen wird, ist zweifelhaft. Zumal wenn sie auch weiterhin so ungeschickt agieren. So plante die Regierung kurz vor den Wahlen, die erlaubte Höchstgrenze für Alkohol am Steuer zu senken, in einem Land von Weinbauern und -trinkern keine besonders populäre Idee. Nach heftigen Protesten aus der Bevölkerung zog sie den Entwurf kurz darauf zwar wieder zurück. Genützt hat es nicht mehr viel.