Stoibers neuer PR-Manager

Mit Sprengkraft in den Wahlkampf

Die Kandidatin Merkel galt als medienuntauglich, der Kandidat Stoiber als Siegertyp. Jetzt profiliert er sich als Fernsehtrampel. Sein neuer PR-Mann soll's richten.

Wieder hat man es mit einer Sensation zu tun, die gar keine ist. In der vorvergangenen Woche berief Edmund Stoiber Michael H. Spreng zu seinem Wahlkampfleiter. Erste Wahl ist der ehemalige Bild am Sonntag-Chefredakteur allerdings nicht. Gerüchten zufolge soll der Vertraute von Roland Koch, Franz Josef Jung, Stoibers Wunschkandidat für diese Position gewesen sein. Nicht nur sein kerniger Vorname, auch seine Gesinnung hätte gepasst. Schließlich verfügt der ehemalige Leiter der hessischen Staatskanzlei über einschlägige Erfahrungen im Organisieren von Wahlkampagnen. Die Unionsspitze hatte jedoch gute Gründe, Jung auszubremsen: Dieser hatte wegen seiner Rolle in der hessischen Spendenaffäre seinen Rücktritt erklären müssen. So wurde es also Spreng. Und Spreng ist - Obacht, das ist jetzt die Sensation - gar kein klassischer Mann der CDU. Im Gegenteil, er gilt als liberal.

Spreng ist, obschon einst beim Kölner Express und hernach über zehn Jahre als Leiter bei der BamS tätig, kein klassischer Scharfmacher, sondern er gilt als ein souveräner, vor allem aber unabhängiger Mann. Dazu passt, dass er zu Beginn seiner Karriere seine Parteimitgliedschaft bei der CDU niedergelegt hat, um nicht beeinflussbar zu sein, und dazu passt auch, dass Gerüchte umgehen, er duze sich mit Gerhard Schröder. Spreng jedoch betont, er wahre Abstand zu den Themen und Personen, über die er berichtet.

Tatsächlich versteht er sich mit Schröder, Fischer, aber auch mit Stoiber gut, so wie er sich mit dessen ewigem Vorbild, Franz Josef Strauß verstand; man trifft sich, redet »unter vier Augen«, man steht in Kontakt. Lediglich mit Helmut Kohl hatte es sich Spreng verscherzt, da er es wagte, in der mit 2,5 Millionen Auflage nicht eben unwichtigen Wochenzeitung BamS ein paar despektierliche Kommentare gegen den damaligen Kanzler zu veröffentlichen - Grund genug, seine Demissionierung zu verlangen. Aber selbst diese erfolgte nicht umgehend, denn der Springer-Konzern schätzte Spreng als einen Mann, der die Auflage der BamS um immerhin zehn Prozent hatte steigern können. Daher wurde Spreng nach einer ungewöhnlich langen Amtszeit im Boulevardgeschäft erst im Jahr 2000 in recht harscher Manier gefeuert, denn jetzt passte er nicht mehr in das neue, vom modernen Rechten Matthias Döpfner geprägte Springer-Konzept.

Ist Spreng also ein Liberaler, ein Karrierist, der aber trotz seiner Position nicht allzu sehr mit seiner Meinung hinterm Berg halten kann? Die Kommentare, die seine Ernennung zu Stoibers Wahlkampfleiter begleiteten, legen diesen Schluss nahe. Von Faz bis taz sah man in Spreng jemanden, der mit seiner viel gepriesenen Sachlichkeit und seiner hohen Verbindlichkeit einen ruhigen Wahlkampf veranstalten oder aber mit Stoiber aneinandergeraten werde. Kurz: Seine Ernennung sei eine Sensation, aber keine Garantie für den Erfolg des Kanzlerkandidaten, der sich anlässlich seines Auftritts bei Christiansen und anderswo ordentlich nassmachen ließ.

Spreng kommt als smarter, aufmerksamer und ein wenig übergewichtiger Mann rüber, der immer akkurat auftritt, ein Managertyp und ganz offensichtlich ein Medienmann der amerikanischen Schule. Und er ist, bei aller Liberalität, die er eher mit Worten als mit Taten bewies, keine kleine Westerwelle. Er ist eine große.

Nie ging seine vorgebliche Unabhängigkeit so weit, einen Politiker anzugreifen, wenn er gerade hoch im Kurs stand, und er verweigerte sich weder der Wiedervereinigung, dem Somalia-Einsatz, der neuen Asylgesetzgebung, dem Kosovo-Krieg oder sonst einem Verbrechen, dass eine Mehrheit fand. Michael H. Sprengs Unabhängigkeit besteht vor allem darin, schnell auf eine neue Seite zu wechseln. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass dieser Mann dem Werben Stoibers nachgab.

Verwunderlich ist auf den ersten Blick vielleicht, dass Stoiber um ihn warb. Doch das dahinter liegende Kalkül ist offenkundig: Trotz der ideologischen Nähe des Herrn Spreng zu Schäuble, Koch und Kohl wissen Stoiber und seine Getreuen, dass dieser Wahlkampf, anders als etwa der letzte hessische, bei dem die zuvor genannten Personen prima zusammenarbeiteten, nicht allein mit einer ausländerfeindlichen Kampagne zu gewinnen ist. Sie alle können sich an Rüttgers' Scheitern in Nordrhein-Westfalen erinnern.

Vor allem aber wissen sie, dass die SPD sowie auch die Grünen und die PDS bereits in den Startlöchern hocken, um die »Stoppt Strauß«-Kampagne von 1980 wieder aufzulegen. Die www.stoppt-stoiber.de-Website, um nur ein Beispiel zu nennen, ist bereits an merkwürdige Demokraten vergeben, die ihr heiliges Deutschland vor Bayern zu schützen wünschen, und daher auch explizit die »linken« CDUler einladen, an ihrer Seite mitzubasteln.

Gerade Stoiber, der 1980 den Wahlkampf für Strauß mitorganisierte, kann sich noch sehr gut an das damalige Debakel erinnern. Zwar hatte Strauß seinerzeit zunächst beteuert, er wolle keinen Lagerwahlkampf führen, doch als er mit den ersten Eierwürfen konfrontiert war, überlegte er es sich anders. Eine breite Mobilisierung zu Gunsten der SPD war die Folge. Die war in einem solchen Ausmaß erfolgreich, dass der in Panik geratene Stoiber seinerzeit festgestellt wissen wollte, dass die Kampagne der »Hetze gegen die Juden im Dritten Reich« gleiche.

Eine solche Schlammschlacht darf sich nicht wiederholen, das weiß Stoiber nur zu genau. Sein Coup, der Bundesregierung ihre Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik vorzuhalten, womit Stoiber gleich am Abend seiner Kandidatenkür begann, sorgte in den Reihen der SPD-Wahlkampfmacher zumindest für Erschrecken. Doch wie seine weiteren tollpatschigen Auftritte zeigten, ist er noch nicht in der Lage, sich als der »Mann der Mitte« zu präsentieren, als der er sich so gern geben möchte. Und indem die CDU/CSU Schröder immer gern als »Medienkanzler« verspottet, zeigt sie, dass sie sehr genau weiß, wo - im Hinblick auf die öffentliche Wirkung - Stoibers großer Makel liegt.

Darum braucht es einen käuflichen Liberalen, einen Medienprofi, der ganz nach amerikanischem Vorbild versucht, aus Stoiber einen Charismatiker zu machen. Ob das mit dem stocksteifen Altbayern allerdings zu machen ist, ist die Frage. Stoibers Auftritte allerdings künden schon jetzt von einem deutlich anderen Bemühen um die Mehrheit, als es Strauß, der noch ganz und gar mit seiner Medienerscheinung identisch war, je an den Tag gelegt hat.