'FAZ'-Feuilleton bleibt in Frankfurt

Werbung für die Krise

Am Anfang der vergangenen Woche hieß es noch, dass das Feuilleton der FAZ nach Berlin ziehe. Nun der Rückzieher. Der Umzug wurde auf den Sanktnimmerleinstag verschoben. Es stelle sich »wirtschaftlich günstiger dar«, hatte der Geschäftsführer der FAZ, Jochen Becker, erklärt, wenn man nach Berlin ziehe, da die Berliner Immobilie der FAZ noch Räume biete. Außerdem, so begründete der fürs Feuilleton zuständige Mitherausgeber Frank Schirrmacher in der Süddeutschen Zeitung, müsse das »nationale Feuilleton« eben »dort leben, wo die Leute leben, über die geschrieben wird«. Ein paar Tage später war das unwichtig. Man bleibe in Frankfurt, teilte Schirrmacher mit. Wieder sollen wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend gewesen sein.

Man fragt sich, ob Schirrmacher oder ob sein Geschäftsführer nicht rechnen kann. Was eben noch die billigere Lösung war, kann ja jetzt nicht die teurere Variante sein. Schirrmacher versuchte, es schön zu reden: »Jede Zeitung muss sich Gedanken machen, welche Rolle Berlin in diesem neuen Deutschland spielen soll. Die FAZ hat diese Frage jetzt beantwortet.« Und zwar, indem sie in Frankfurt bleibt. Dabei haben mehrere FAZ-Redakteure die Stadt für kulturell verarmt erklärt, und man muss ihnen rundweg zustimmen. Nicht zuletzt deshalb wird das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) bereits in Berlin gemacht, ebenso liegen die in der Hauptstadt produzierten »Berliner Seiten« der regionalen Ausgabe der FAZ täglich bei.

Das mit der Rolle Berlins bzw. Frankfurts ist also Quatsch. Warum aber hat man sich überhaupt entscheiden wollen? Manche mutmaßen, Schirrmacher habe versucht, die FAZ, die sich in einer »geografischen Mittel-Lage« (SZ) befinde, einem zentralistischen Deutschland-Modell unterzuordnen. Andere wittern eine Art Putsch gegen seine vier Herausgeberkollegen. Damit jedoch fällt man auf jene Tricks herein, mit denen Schirrmacher die eigentlichen Probleme der FAZ zu verschleiern sucht: die Umsatzrückgänge. Er weiß, dass es langfristig darum geht, die Zeitung zu stabilisieren, denn vom Wegbrechen des Anzeigenmarkts, insbesondere des Stellenteils, ist auch die FAZ betroffen. Und weil in der Bundesrepublik keine echten Kulturdebatten geführt werden, setzt Schirrmacher auf Spektakel. Die FAZ, die keinem Konzern gehört, ist aus eigener Kraft kaum in der Lage, eine mehrjährige Krise zu überstehen. Andererseits kann eine Zeitung mit dem Ruf der FAZ nicht in einer solchen Weise Leute entlassen, wie es jetzt etwa die unabhängige Frankfurter Rundschau tut.

Also: Unterhaltung. Die FAS ist eine bunte Zeitung, die niemand braucht, die sich aber gut auf dem Sofa macht. Die »Berliner Seiten« helfen zu behaupten, dass in Berlin a) Hypes entstehen und man diese b) mitbekommt. Mit solchen Bluffs versucht Schirrmacher, das Blatt ins Gespräch zu bringen und Leser zu gewinnen, um die Marktposition zu halten. Auch der Umzug ins hoch gehypte Berlin sollte mal wieder die Spielwiese der Zeitung, das Feuilleton, interessant erscheinen lassen. Doch die Umzugskosten sind angesichts der derzeitigen Lage der FAZ bereits zu hoch. Schirrmacher wird sich etwas Billigeres ausdenken müssen.