Das Ende des Kirch-Imperiums

Fernsehen billig abzugeben

Das Kirch-Imperium wird zerlegt. Gläubiger und Käufer sortieren ihre Interessen.

Der Briefkasten des Münchner Amtsgerichts dürfte am letzten Freitagabend zu den meistbeobachteten der Bundesrepublik gehört haben. Denn seit dem Nachmittag stand fest, dass die Kirch Media AG während der Öffnungszeiten entgegen allen Erwartungen noch keinen Konkursantrag gestellt hatte. Immer wieder meldeten sich danach in allen möglichen Sendern Reporter, die erklärten, dass bisher noch kein Anwalt Kirchs vor dem Briefkasten gesichtet worden sei und Kirch daher noch nicht offiziell als pleite gelte.

Zuvor waren die wochenlangen Verhandlungen zwischen den Gläubigerbanken der Kirch-Gruppe und den beiden Minderheitsgesellschaftern gescheitert. Rupert Murdoch und die italienische Mediaset von Silvio Berlusconi dürften sich ausgerechnet haben, dass die lukrativen Teile des bayerischen Imperiums nach dem Konkursantrag weit billiger zu haben sind.

Obwohl auch am vergangenen Samstag keine Anwälte vorm Münchner Briefkasten gemeldet wurden, stand trotzdem fest, dass die Pleite von Kirch unumgänglich war.

Immerhin gelang es den Banken, sich auf ein gemeinsames Konzept zu einigen. Sie misstrauten einander bisher nämlich zutiefst - die Absicherungen der Kreditvolumen jedes einzelnen Institutes sind sehr unterschiedlich, jeder verdächtigte deshalb jeden, sich mit fiesen Tricks die Filetstücke des Unternehmens sichern zu wollen. Die Deutsche Bank hält beispielsweise 40 Prozent der Kirch-Aktien an der Springer AG, mit denen ein Kredit über 650 Millionen Euro abgesichert wurde. Der Wert dieser Anteile übersteigt das Debet um einiges, weshalb die Deutsche Bank fein raus ist. Die Dresdner Bank verfügt ebenfalls über glänzende Sicherheiten, ihr waren die Kirch-Anteile am florierenden spanischen Sender Telecinco überschrieben worden.

Ein großes Problem haben dagegen die Bayerische Landesbank, die HypoVereinsbank, die Commerzbank und die DZ Bank. Mit insgesamt 1,4 Milliarden Euro ist Kirch bei ihnen verschuldet, als Sicherheiten dienen lediglich Immobilien und die Filmbibliothek, deren Wert nur schwer einzuschätzen ist. Sie sei nur dann interessant, wenn sie regelmäßig um die neuesten Hits erweitert werde, erklärten Insider. Das dürfte jedoch schwierig werden, denn die meisten Hollywood-Studios stellten ihre Lieferungen ein, nachdem Kirch vor einigen Wochen die damals fälligen 150 Millionen Euro an Columbia nicht zahlen konnte.

Die DZ Bank dürfte von der Pleite am schlimmsten erwischt werden, die Ratingagentur Moody's stufte das Institut Mitte letzter Woche von einem bereits mehr als bedenklichen C- auf ein katastrophales D+ herab.

Nun wollen die vier Banken, die in Mitleidenschaft gezogen worden sind, eine gemeinsame Auffanggesellschaft gründen. Möglicherweise werden daran auch Murdoch, Berlusconi, Springer und die WAZ-Gruppe beteiligt sein. In die Auffanggesellschaft sollen wesentliche Teile der Kirch Media AG übernommen werden, wie Pro Sieben und Sat.1, auch der Handel mit Fernsehrechten wird dazugehören. Was mit den defizitären Regionalsendern TV Berlin, TV München und TV Hamburg geschieht, ist noch unklar, im Gespräch ist eine Übernahme durch die baden-württembergische B-TV. Premiere World, das derzeit täglich 1,5 Millionen Euro Verlust macht, soll dagegen verkauft werden.

Und damit entsteht ausgerechnet für diejenigen, die bisher am meisten von Kirch profitiert haben, ein Riesenproblem: für die Fußballvereine.

Nachdem verschiedene Landesregierungen erklärt hatten, ihren Bundesligisten notfalls mit Ausfallbürgschaften helfen zu wollen, richtete sich plötzlich die geballte Wut selbst der gutwilligsten Fans auf die Clubs, die sich so gern als Wirtschaftsunternehmen verstehen. Den »Millionarios« (Bild) ausgerechnet mit Steuergeldern zu helfen, sei eine glatte Unverschämtheit, ereiferten sich die Supporter in den einschlägigen Internetchats.

Wer sich wie ein Wirtschaftsunternehmen verhalte, solle auch definitiv wie eines behandelt werden, lautete die Grundforderung, und dies könnte zu einer der größten Krisen im deutschen Profifußball überhaupt führen. Denn der künftige Konkursverwalter wird auch darüber zu entscheiden haben, was mit den von Kirch gehaltenen Rechten an der Bundesliga passiert.

Bei Premiere könnte überdies, so der Spiegel, viel schneller als erwartet Schluss sein mit der Kickerei. Plazamedia, eine Kirch-Tochter, die für die Produktionsabwicklung der Fußballübertragungen zuständig ist, erklärte zwar bereits, bis zum Saisonende seien die Übertragungen gesichert. Zahlreiche wichtige Zulieferer wie Reporter, Kameraleute und Schnittspezialisten fürchten dagegen, für ihre erbrachten Leistungen nicht mehr bezahlt zu werden. So soll ein Kameramann, der für Premiere bei den Olympischen Spielen von Salt Lake City filmte, noch immer auf sein Geld warten.

Die Berliner Produktionsfirma TopVision, die Bilder für die Bundesligaberichterstattung der Kirch-Sender liefert, erklärte beispielsweise gegenüber Spiegel online, bis zum vergangenen Sonntag alle Verträge erfüllen zu wollen, was danach käme, sei »offen«.

Und auch sonst könnte es für die Vereine eng werden. Denn die Bundesliga-Manager könnten die Kirch-Pleite schon bald auch aus einem ganz anderen Grund bedauern. Zunehmend wird klar, in welchem Umfang der DFB und die ihm angeschlossenen Vereine staatlich bewilligte Sonderrechte genießen, die allein den Clubkassen zugute kommen.

Die Gewerkschaft der Polizei fordert bereits seit Monaten, dass die Vereine die regelmäßigen Wochenendeinsätze ganzer Hundertschaften bei den Ligaspielen bezahlen sollten. Der Wirschaftsexperte und CDU-Politiker Hartmut Schauerte erklärte der Financial Times Deutschland in der letzten Woche, dass die im Wettbewerbsgesetz erlassenen Sonderrechte des Sports unbedingt zu überprüfen seien. Helmut Kohl und Gerhard Schröder hätten sich 1997 dafür eingesetzt, dass im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb Sportvereine »sich zentral vermarkten dürfen, was anderen Branchen generell verboten ist«. Dies sei ein »ordnungspolitischer Sündenfall« gewesen, »weil damit ein Kartell bei der Vermarktung der Fernsehrechte ermöglicht wird. Das hat dazu geführt, dass sich die Fußballvereine an einen einzigen Käufer verkauft haben.«

Nun wird es auch nicht mehr lange dauern, bis die Öffentlichkeit erkennt, dass die im DFB zusammengeschlossenen Vereine so etwas wie einen Staat im Staate bilden. Eine eigene Gerichtsbarkeit wacht über die Einhaltung der Gesetze, Fußballspieler, die bei einem Spiel verletzt wurden, haben zum Beispiel keine Möglichkeit zu einer Zivilklage. Das Grundrecht auf ungehinderte Information wird von den Vereinen regelmäßig missachtet; Journalisten können willkürlich von der Berichterstattung ausgeschlossen werden.

Das alles könnte nun bald vorbei sein. Und auch den Clubs ist klar, dass sie nie wieder derart viel Geld für ihre Ware erhalten werden. Uli Hoeneß, einst der Vorkämpfer für Fußball im Pay TV, erklärte bereits, die Öffentlich-Rechtlichen als nächsten Partner zu präferieren. Und Bild berichtete von geheimen Probesendungen der ARD, mit Gerhard Delling als Moderator einer Bundesligashow.

Dem Münchner Briefkasten wird's egal sein.