Die SPD kritisiert die Springerpresse

Sie sind wieder im Bilde

Es gibt in diesem Jahr keine Sommerpause für die Politik. Der Krieg gegen den Irak steht bevor und Abgeordnete, Minister und Senatoren treten zurück. Die, die übrig bleiben, sind sauer. Allerdings nicht auf ihresgleichen. Sondern auf den, der gepetzt hat.

Die Empörung bei der rot-grünen Koalition ist groß: »Ist es tatsächlich Zufall, dass bislang kein FDP-Abgeordneter von der Bild-Zeitung als Freiflieger geoutet wurde, obwohl laut Vizepräsident des Steuerzahlerbundes auch die FDP davon betroffen ist?«, fragt der Parteivorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, und fordert Aufklärung.

»Es ist gezielt eine Kampagne gestartet und auch bewusst in den Wahlkampf gesetzt worden, um Politiker als Raffkes darzustellen«, behauptet der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Und der Kanzler glaubt, dass »die Art und Weise, wie das gespielt wird«, den Verdacht nahe lege, »dass dahinter gezieltes politisches Wollen steht«, von dem die Opposition profitieren solle. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering erstattete sogar Anzeige gegen den Bund der Steuerzahler, das FDP-Mitglied Axel Müller und die Chefredaktion der Bild-Zeitung.

Die Springer-Presse, allen voran die Bild-Zeitung, als Sprachrohr der Union, der FDP und der ihnen nahe stehenden Verbände - das ist ein altbekannter Vorwurf. Er hat sich ja auch oft genug bewahrheitet. Entsprechend stellen sich nun Müntefering und Gerhard Schröder, die noch mit den Bild-Kampagnen der siebziger und achtziger Jahre vertraut sind, vor ihre grünen oder ostdeutschen Kollegen und verteidigen sie gegen den alten Feind.

Allerdings wurde bislang kein SPD-Politiker als »Meilensünder« entlarvt wurde. Die Sozialdemokraten gehen davon aus, dass die Angriffe auf ihre möglichen Koalitionspartner vor allem ihnen selbst gelten.

Tatsächlich geben sich der Springer-Vorstandsvorsitzende Matthias Döpfner und seine Chefredakteure Kai Diekmann (Bild) und Georg Gafron (B.Z.) keine große Mühe, ihre Abneigung gegen Rot-Grün zu verbergen. Und dennoch greift der Verdacht gegen Springer zu kurz.

Rudolf Scharping wurde vom stern »abgeschossen«, wie man in der Branche sagt, der Spiegel versuchte vor knapp zwei Jahren Joschka Fischer wegen seiner revolutionären Vergangenheit zu stürzen und hat soeben Rezzo Schlauch als Bonusmeilen-Nutznießer bekannt gemacht.

Die Kampagnen, die Redaktionen lostreten, sobald sie glauben, genügend Material zu haben, gehören zum täglichen Mediengeschäft. Gegenüber dem Sturz eines Ministers steht der Focus mit seinen »besten 100 Ärzten« ziemlich dumm da; darum geht es hier vor allem. Nicht um politische Moral.

Der Druck auf die Regierenden ist zur Zeit größer als der auf die Opposition, mit Anschuldigungen gegen die Regierung ist ein größerer Effekt zu erzielen. Doch dass die Bonusmeilen-Affäre zwei Rücktritte fordern würde, hat die Bild-Redaktion wahrscheinlich selbst überrascht.

Andererseits unterbinden die Unternehmen, denen Bild oder der stern gehören, selbstverständlich auch gewisse Kampagnen und zwingen Redaktionen, unliebsame Fakten nicht zu veröffentlichen.

Das weiß niemand besser als der Kanzler selbst, der seinen Wahlkampf 1998 nicht zuletzt mit Hilfe von Bild bestritt und der den ehemaligen Bild-Mitarbeiter Bela Anda zum stellvertretenden Regierungssprecher machte. Und daher sollte er auch darüber im Bilde sein: Für eine gute Schlagzeile tun Journalisten viel. Und angesichts der derzeitigen Wahlprognosen für Rot-Grün gilt für den Massenjournalismus dieser Nietzscheanische Leitsatz allemal: »Was fällt, das soll man noch stoßen!«