Tansania-Park in Hamburg

Schutztruppe geschützt

Ein Kriegerdenkmal von 1939 soll das Kernstück des Tansania-Parks in Hamburg bilden. Über die Verbrechen der Kolonialzeit will man nicht reden.

Hamburgs Kriegerdenkmäler sollen zu neuen Ehren kommen. Ein zehn Meter hohes »Schutztruppen-Ehrenmal« für die in den deutschen Kolonien gefallenen Soldaten auf dem Gelände der Lettow-Vorbeck-Kaserne in Jenfeld - hier war bis 1999 die Bundeswehr stationiert, heute residiert hier der Bundesgrenzschutz - wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dazu sollen sich das so genannte Askari-Relief, ein zweiteiliges Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal, sowie der Tansania-Pavillon der Expo 2000 gesellen. Unter dem Titel »Tansania-Park« plant der Kulturkreis Jenfeld dieses Ensemble.

In aller Eile beschloss der Bezirk Wandsbek Anfang August mit den Stimmen der CDU und der Schill-Partei, den Tansania-Park in zwei Monaten fertig zu stellen. Die SPD enthielt sich. Der Grund für die Eile ist, dass Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) den tansanischen Staatspräsidenten Benjamin William Mkapa für Oktober eingeladen hat. Und die Einweihung des Parks soll den Höhepunkt seiner Reise bilden.

Aber nicht nur der Staatsbesuch in Hamburgs Vorortprovinz spielt eine Rolle. Es scheint so, als habe Bau- und Verkehrssenator Mario Mettbach (Schill-Partei) seine Finger im Spiel. Der gebürtige Jenfelder, ein ehemaliger Berufsoffizier, ließ ganz unbürokratisch 25 000 Euro für das Kriegerdenkmal springen. Das ist großzügig angesichts der sonst beklagten Finanzknappheit in der Bau- und Verkehrsbehörde. Nach Informationen der Hamburger Grünen (Gal) habe es in dieser einst lokalpolitischen Sache jetzt »massiven Druck aus dem Senat« gegeben.

Die Grünen kritisierten die Konzeptlosigkeit des Vorhabens und beantragten, dass eine fachlich kompetente Arbeitsgruppe Vorschläge für ein geschichtsdidaktisches Konzept der Anlage entwickeln solle. »Wir glauben nicht, dass eine kleine kommentierende Tafel ausreicht, die deutsche Kolonialvergangenheit in Afrika aufzuarbeiten. Wir wollen an diesem Ort auch keine Pilgerstätte der Ewiggestrigen haben«, sagt Frank Hiemer, der Sprecher der Grünen im Wandsbeker Kulturausschuss.

Aber mit der Entscheidung in der Sommerpause wurde auch schon das weitere Vorgehen geplant. Zwar sollen Volker Plagemann, der leitende Fachberater in der Kulturbehörde, sowie die beiden Initiatoren, der Kulturkreis Jenfeld und Jürgen Gotthardt, Hamburger Kaufmann und Honorarkonsul von Tansania, ein Konzept erarbeiten. Doch klar ist, dass alles ganz schnell gehen soll. Zeit, um in Diskussionen die schwierige Frage zu beantworten, welche Rolle Denkmäler bei der kritischen Aufarbeitung der Verbrechen der Kolonialzeit spielen könnten, bleibt sicher nicht und ist offensichtlich auch nicht gewünscht.

Das Vorgehen der Initiatoren des Parks offenbart, gelinde gesagt, Naivität und verkennt die Symbolik der Denkmäler. Zwar grenzt man sich gegen Kolonialrevisionismus ab und will den Park nicht für Besucher öffnen, »die nach braun riechen«, wie Horst Junk, der Vorsitzende des Kulturkreises, es ausdrückt. Doch was der »Völkerverständigung« dienen soll, gerät angesichts des verharmlosenden Umgangs mit den Kolonialmonumenten zu einer Verhöhnung der hunderttausenden Opfer in den deutschen Kolonien. Gleichzeitig reibt sich der »Traditionsverband ehemaliger Schutz- und Überseetruppen« die Hände und sammelt fleißig Geld für das Askari-Relief. Gezahlt werden soll aber nur, wenn »der sichere Schutz vor Vandalismus durch einen stabilen Zaun« gewährleistet sei.

Heiko Möhle vom Sonderforschungsbereich »Umbrüche in afrikanischen Gesellschaften und ihre Bewältigung« an der Hamburger Universität kritisiert nicht nur die Konzeptlosigkeit des Vorhabens, sondern auch den geplanten Standort. In der Lettow-Vorbeck-Kaserne war das Traditionsbataillon der »Schutztruppe« für Deutsch-Ostafrika stationiert, das wohl auch die Errichtung der beiden Monumente, die jetzt im Tansania-Park stehen sollen, initiiert haben dürfte. Bei der Einweihung der beiden Ehrenmäler im August 1939 gedachte General Paul von Lettow-Vorbeck der »Heldentaten der Schutztruppe«. Er selbst nahm am Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwest teil und war seit 1914 Kommandeur der »Schutztruppe« in Deutsch-Ostafrika, die im Ersten Weltkrieg gegen alliierte Truppen kämpfte.

Zu seiner »Schutztruppe« gehörten neben 3 600 Deutschen auch etwa 15 000 Askaris, loyale afrikanische Soldaten, sowie 45 000 einheimische Hilfskräfte, die als Träger, Boten und Späher eingesetzt wurden. Bis heute hält sich die Legende, dass die afrikanische Bevölkerung hinter Lettow-Vorbeck gestanden habe. Insbesondere die »Treue der Askaris« wird dafür als Beleg angeführt. Tatsächlich aber waren die Askaris hoch bezahlte und privilegierte Söldner, die Träger wurden in der Regel von der »Schutztruppe« verschleppt und zur Arbeit gezwungen.

Die Nationalsozialisten nährten den Askari-Mythos, indem sie die schwarzen Soldaten als plumpe, aber treue Ergebene darstellten - wie im Askari-Relief von Walter von Ruckteschell. Fünf überlebensgroße Soldaten schwarzer Hautfarbe, vier schwarze Lastenträger und ein weißer Soldat marschieren dort im Gleichschritt. Joachim Zeller führt in seinem Buch »Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewusstsein« aus, dass das Kriegerdenkmal nicht etwa Tod und Leiden ins Blickfeld rückt, sondern Assoziationen an abenteuerliche Safari-Romantik wach werden lässt und den Eindruck großer Eintracht erweckt.

Der deutsche Kolonialismus ist hierzulande aus dem öffentlichen Bewusstsein getilgt worden, eine kritisch-aufklärerische Erinnerung an die Verbrechen in Afrika, China und in der Südsee existiert nicht. Die weit verbreitete Ansicht, dass der Kolonialismus zwar schlimm war, die kolonialisierten Gesellschaften aber auch von den »Segnungen des weißen Mannes« profitiert hätten, mag ein weiterer Grund sein für das unbedarfte Vorgehen in Hamburg. Diese Stadt war übrigens neben Berlin die wichtigste Metropole des wilhelminischen Kolonialreiches.

Die Denkmäler zu vernichten, trüge allerdings auch nicht zu einer Aufarbeitung bei. Das zeigt nicht zuletzt die Art und Weise, wie man sich an die DDR erinnert. Dort wurden nach 1945, im Gegensatz zur Bundesrepublik, ausnahmslos alle Kolonialdenkmäler geschleift, ohne dass eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und seinen Folgen stattgefunden hätte. Aber solange in Hamburg keine kritische Debatte über ein solches Ausstellungsprojekt gewünscht und gefördert wird, wäre es sinnvoller, die »Schutztruppen«-Denkmäler in einem Keller verschimmeln zu lassen, als sie im Tansania-Park zu präsentieren.