Die Unberührbaren

»Contractors« werden die neuen Söldner genannt. Nun sind drei von ihnen in Kolumbien spurlos verschwunden. von knut henkel

Outsorcing ist die Parole des Pentagon, wenn es um das Engagement in Lateinamerika geht. So soll das Risiko gesenkt werden, dass US-Amerikaner in die Hände der Guerilla fallen.

Das klappt jedoch nicht immer. Im State Department, genauer in der Abteilung für Drogenangelegenheiten, herrscht derzeit hektische Betriebsamkeit. Die Drähte nach Reston Virginia, dem Firmensitz von DynCorp, und nach Kolumbien glühen. Drei US-Amerikaner, so Richard Boucher, Sprecher des State Department, am Mittwoch vergangener Woche, seien von der Farc – der größten linksgerichteten Guerilla Kolumbiens – entführt worden. Boucher forderte die sofortige Freilassung der drei ehemaligen US-Militärs.

Diese waren gemeinsam mit einem weiteren US-Amerikaner und einem kolumbianischen Geheimdienstoffizier am 13. Februar zu einem angeblichen Drogenüberwachungsflug in Florencia, der Hauptstadt des Departamento Caquetá, gestartet. Um 8.45 Uhr wurde ein Funkspruch von der Militärbasis Tres Esquinas im Süden Caquetás aufgefangen. Der Motor der Cessna 208 war ausgefallen, und der Pilot informierte die Flugüberwachung, dass er notlanden müsse. In der Nähe des Dorfes Berlin, rund 30 Kilometer entfernt von der Provinzhauptstadt Florencia und am Rande der ehemals entmilitarisierten Zone, ging die Maschine nieder.

Hubschrauber, die wenig später am Ort der Notlandung eintrafen, fanden die Leichen des ehemaligen US-Offiziers John Thomas und des kolumbianischen Nachrichtenoffiziers Luís Alcides Cruz, so das kolumbianische Wochenmagazin Cambio in seiner aktuellen Ausgabe. Beide waren erschossen worden, von den drei weiteren US-Amerikanern fehlte jede Spur.

Auch eine groß angelegte mehrtägige Suchaktion, an der mehrere tausend kolumbianische Soldaten teilnahmen, blieb erfolglos. Zur Identität der drei US-Amerikaner wollten weder die US-Botschaft noch das State Department Stellung beziehen. Diese Informationen unterliegen der Geheimhaltung, nicht aber der Job im Auftrag des State Department.

Im Rahmen des Antidrogenprogramms greifen die US-Behörden in Kolumbien seit Jahren auf so genannte Sicherheitsfirmen zurück, die Personal und Logistik stellen. Das größte Stück vom Kuchen in Lateinamerika und Mittelamerika hat sich DynCorp gesichert. 1993 sollen erstmals Spezialisten des Unternehmens mit Sitz in Reston, Virginia, nach Kolumbien entsandt worden sein. 1997 erhielt das Unternehmen einen 600 Millionen Dollar schweren Auftrag vom State Department im Rahmen der Drogenbekämpfung in Lateinamerika. Herbizidsprüh-, Überwachungs- und Spionageflüge gehören genauso zur Aufgabenpalette wie Rettungseinsätze, Wartung und Transport.

In Kolumbien stellt DynCorp das Gros der Piloten der Black-Hawk-Kampfhubschrauber und leitet auch die Ausbildung der kolumbianischen Piloten. Kampfeinsätze der DynCorp-Söldner hat es immer wieder gegeben. Von mindestens 15 Search-and-Rescue-Einsätzen, davon mindestens die Hälfe in Gefechtssituationen, berichtete der Miami Herald bereits vor zwei Jahren. Bei den Einsätzen, die zumeist von ehemaligen Soldaten der US-Spezialeinheiten durchgeführt werden, hat es Tote und Verletzte gegeben.

Doch derartige Informationen findet man in der Presse ebenso selten wie die Zahl der in Kolumbien stationierten DynCorp-Söldner. Aus gutem Grund, denn der US-Kongress hat die Zahl von Militärs und zivilen Kontraktarbeitern, als die DynCorp-Söldner registriert sind, auf 500 bzw. 300 für Kolumbien begrenzt. Allein DynCorp soll jedoch nach Informationen der Los Angeles Times 335 »Angestellte« in Kolumbien im Einsatz haben. Allerdings ist ein Teil der Truppe nicht US-amerikanischer, sondern peruanischer, guatemaltekischer oder kolumbianischer Nationalität.

DynCorp ist jedoch nicht die einzige US-Dienstleistungsagentur in Sachen moderner Kriegsführung in Kolumbien. Ihr Personal agiert verdeckt und trägt keine US-Uniformen, freute sich der ehemalige US-Botschafter Myles Frechette einmal in einem unbedachten Moment. »Wenn einer getötet wird, kann man sagen, dass es kein Mitglied der Armee ist.« Die Söldner nehmen nur deren Aufgaben war und vertreten die Interessen der USA dort, wo die öffentliche Meinung eine direkte militärische Beteiligung nicht erlaubt, so Ingrid Vaicius vom Center for International Policy, einem in Washington ansässigen Think Tank.

Der Status der zivilen Contractors, wie die Söldner genannt werden, ist vollkommen unklar. Es gibt keine Vorgaben, keine Informationen, klagt der kolumbianische Drogenexperte Ricardo Vargas. Die Contractors agieren im rechtsfreien Raum, und wenn einmal etwas passiert, was nicht passieren darf, wird es vertuscht. Ein Heroinpaket, das von der kolumbianischen Polizei abgefangen wurde, und vom kolumbianischen DynCorp-Büro nach Florida geschickt wurde, verschwand genauso wie der Untersuchungsbericht Michael Demons. Demons, ein DynCorp-Mitarbeiter starb im August 2000 an einer Überdosis Kokain. Beweise, denen zufolge zehn Angestellte in den schwunghaften Handel mit Amphetaminen in Kolumbien involviert waren, verschwanden auf mysteriöse Art.

Ein hoher Polizeioffizier gab gegenüber dem kolumbianischen Wochenmagazin Semana zu, dass niemand wisse, was DynCorp nach Kolumbien und retour in die USA transportiere. »Niemand ist autorisiert, ihre Flugzeuge zu kontrollieren, sie sind unberührbar.«

DynCorp, das im letzten Jahr 2,3 Milliarden US-Dollar umsetzte, agiert nicht nur in Kolumbien in einem rechtsfreien Raum. In Aruba, Curacao oder Ecuador, wo ebenfalls Söldner der Firma eingesetzt werden, gibt es Menschenrechtsvertretern zufolge ebenfalls keine Kontrollmechanismen für die US-Söldner. Erst im letzten Jahr kam ein neuer Vertrag über 119 Millionen Dollar mit dem Southern Command, der in Miami ansässigen obersten Heeresführung für Lateinamerika, zustande. Drogenbekämpfung, u.a. Überwachungsflüge nach Kolumbien, ist auch dort das offizielle Aufgabenfeld der Söldner. Für Human Rights Watch verletzt das Pentagon mit der Übertragung von militärischen Aufgaben an Unternehmen wie DynCorp Vorgaben, die vom Kongress innerhalb des Plan Colombia fixiert wurden. Die Menschenrechtsorganisation geht von über 1 000 Contractors in Kolumbien aus, die auch im Bereich Aufstandsbekämpfung aktiv sind.

Da passt es ins Bild, dass bisher vollkommen unklar ist, wem die fünf Insassen der Cessna bei ihrem Einsatz auf der Spur waren. Dass die Farc die drei US-Amerikaner allerdings nicht ohne weiteres ausliefern wird, wie vom State Department gefordert, liegt auf der Hand. Längst hat sie die US-Söldner als militärische Ziele eingestuft, und mit der Geiselnahme wird sie Verhandlungsdruck auf die USA ausüben wollen.