LeserInnenworld

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Jungle World, 12/03: »Bildung ist keine Ware«

Doof ist nicht toll

Der Artikel zum Thema Bildung zeugt nur in geringem Maße von eben jener. Bozic bedient nur das alte dämliche Vorurteil, das jeder Schüler, der keinen Bock hat, zur Genüge kennt: Was wir in der Schule lernen, brauchen wir eh nie wieder. Das mag sein, aber das Einzige, was damit legitimiert wird, ist doof zu bleiben. Dass doof zu bleiben aber was Tolles ist, wird Bozic, der bestimmt auch gerne niveauvolle intellektuelle Diskussionen führt, sicher nicht behaupten wollen. Natürlich braucht niemand wirklich Hamlet im Original lesen oder Mitochondrien von Ribosomen unterscheiden können, aber darum geht es nicht. Als Basis für eine weitergehende Bildung mag es allemal gut sein, sich auch mit Sachen zu beschäftigen, die man nicht sofort braucht – sozusagen als allgemeinbildende Grundlagenforschung. Wer gegen Bildung und Wissen (auch angeblich überflüssiges) polemisiert, negiert gesellschaftlichen Fortschritt. Auch im Kommunismus braucht es Leute, die das Wetter vorhersagen, Medikamente entwickeln, Statiken berechnen, Aufsätze schreiben und Texte übersetzen können.

rudolf mohn

Unsinn mit Sinn

Die Schule vermittelt keine brauchbare Bildung, wir lernen lauter Unsinn, beklagt der Autor völlig zu Recht. Er mag dabei übersehen haben, dass dieser Unsinn aus Perspektive der Kapitalverwertung durchaus Sinn macht. Ja, er ist vielleicht sogar das Selektionskriterium par excellence eines Bildungswesens, das in seiner Unsinnigkeit die Irrationalität eines Systems widerspiegelt, das einer blinden Verwertungslogik folgt und die Erkenntnis, dass es sich damit selbst zerstört, vor den darin handelnden Subjekten verbergen muss. Der Kapitalismus braucht nicht Leute, die nach dem Sinn fragen, sondern solche, die jeden Unsinn mitmachen und sich mit Haut, Haaren und ihren gesamten intellektuellen Fähigkeiten in den Dienst der Kapitalverwertung stellen. Genau das wird in der Schule eingeübt, und wer am besten ist, darf mitmachen und auch sich selbst verwerten lassen.

rené hasenknopf

Jungle World, 11/03: »Radikal auf dem Holzweg«

Idioten gibt es überall

»Als die Chancen auf einen Heil-Hitler-Frieden in Europa verloren waren, schrie Goebbels im Berliner Sportpalast: Wollt ihr den totalen Krieg? Und die hakenkreuzbraven Deutschen brüllten begeistert: Jaaa!!! Und nun? Nur 60 Jahre später in der Berliner Republik die gewählte Obrigkeit: Wollt ihr den totalen Frieden? Und die geläuterten Deutschen sagen von ganzem Herzen abermals: Jaaaa!« … »Ihre Befreiung werden allerhand geschichtsvergessene Menschen in Deutschland und Frankreich den Vereinigten Staaten offenbar niemals verzeihen« (O-Ton Wolf Biermann). Fazit: Nicht nur Gegner des Irakkriegs begeben sich in die Gesellschaft von Idioten, diejenigen, die die Friedensbewegung im antideutschen Jargon kritisieren, tun dies ebenso.

d.h. muc