Zu gut drauf

Neue Platte von Tricky

Alle seine Plattencover waren dunkel. Schwarz, bräunlich oder rot. Bisher. Jetzt wird es hell. Vor gelbem Hintergrund steht Tricky, den Oberkörper nackt, die Jeans zerrissen, auf dem Kopf einen grünen Irokesenschnitt, der eher süß wirkt als bedrohlich. Diese Inszenierung scheint uns sagen zu wollen: Der kleine Rebell ist nach Hause zurückgekehrt, es hat sich ausrebelliert.

Seine neue Heimat ist Los Angeles, die Plastikstadt mit dem ewigen Sonnenschein, der Traum und das Hassobjekt aller Urbanisten. »Ich habe herausgefunden, dass ich Sonne brauche«, sagt der Mann, der einst den TripHop miterfand. Seine Musik war damals mürrisch, geprägt von einer unterdrückten Wut, und das war schön. Weniger auf »Maxinquaye«, seinem Debütalbum von 1995, das noch sehr starke Angebote an das Publikum machte, als vielmehr auf den Alben »Angels With Dirty Faces«, »Pre-Millennium Tension« oder »Blowback«.

Damals beschwerte sich die Presse über Trickys Konzerte, die er mit dem Rücken zum Publikum gab und bei denen er absichtlich schlecht spielte. Sie beschwerte sich auch über seine Interviews, in denen er den unverstandenen Künstler und den Rabauken mimte.

Seit kurzem ist Tricky besser drauf. Sagt er. Tricky hat seine Zuhörer immer schon über seinen Gesundheitszustand informiert, sie sollten mit ihm leiden. Spaß hat er, sagt er nun. Und seiner Musik höre man das auch an. Tatsächlich ist »Vulnerable«, die jüngste und ziemlich aufgehellte Platte, ein eher fröhliches Album. Nicht, dass Tricky mit seiner rauchigen Bassstimme nun wirklich singen würde. Nein, er murmelt weiter, hat jedoch eine neue Sängerin, mit der er keine selbstständige Band gründen möchte, weil er halt einfach ein Alleinemann ist. Die Sängerin heißt Costanza Francavilla, und sie ist sehr gut. Mit ihr hat er auch »The Love Cats« von The Cure gecovert, und selbstverständlich ist diese Version besser als das Original. Auch sonst beweist der öffentliche Solipsist, dass er ein Könner ist. Sämtliche Stücke sind gut produziert, die Effekte gut gesetzt, das Album ist eingängig aber doch rau, und Francavilla singt gut. Das war’s dann aber auch.

Das Album hat keine Schwächen, außer der, dass es auch keine Stärken hat. Bei Tricky ging es nie, auch wenn er das vielleicht glaubte, um wirklich Tiefsinniges. Trickys Krankheiten, Trickys Diva-Habitus und Trickys schlechte Laune dienten stets nur der Unterhaltung seines Publikums. So geht Pop. Es ist die Oberfläche, die zählt. Im Pop fragt niemand, was wurde eigentlich aus der und dem, denn es sind ja genug neue Leute da, an deren Oberfläche und deren vermeintlichen oder tatsächlichen Neurosen man sich abarbeiten kann.

Tricky war immer der Schlechte-Laune-Mann. Jetzt aber ist er gut drauf. Doch der Zauber ist weg. Suchen wir uns einen neuen Zauberer.

Es ist das Traurige mit manchen Künstlern, dass sie ihr Image mit sich selbst verwechseln. Wenn sie Pech haben, gehen sie daran ein, wenn sie Glück haben, werden lediglich ihre Platten langweilig. Tricky ist bei Anti untergekommen, einem Label, das gern ältere Jungs einsammelt. Tom Waits veröffentlicht hier und Nick Cave oder DJ Muggs. Da gehört Tricky, der Glück hat, hin.

jörg sundermeier

Tricky: Vulnerable (Anti/SPV)