Klonieren und debattieren

Während in der Uno über ein globales Klonverbot verhandelt wird, treiben interessierte Firmen die Forschung weiter voran. von guido sprügel

Wird der Mensch zum Rohstofflieferanten für die biotechnische Industrie? Oder bietet sich eine einmalige Chance, bisher unheilbare Krankheiten zu behandeln? Das Klonen von Menschen, sei es zu therapeutischen oder reproduktiven Zwecken, ist äußerst umstritten. Denn es geht nicht allein um die Abschätzung der Risiken einer neuen Technologie, sondern um ethische Grundsatzfragen.

So debattierte die Uno Anfang der vergangenen Woche erneut über ein international verbindliches Verbot des Klonens. Im Sommer 2001 hatten Deutschland und Frankreich das Thema in die UN-Verhandlungen eingebracht. Geschehen ist seither wenig.

Dabei scheint die Zeit für eine internationale Vereinbarung zu drängen. Die Raelianer-Sekte und der italienische Arzt Severino Antinori meldeten bereits 2002 die Geburt der ersten Klonbabys, Beweise für ihre Behauptungen blieben sie allerdings schuldig. Doch seriösere und intensive Klonforschung wird bislang relativ unbehelligt und an keinerlei internationale Vereinbarungen gebunden unter anderem in Großbritannien und China betrieben, angeblich nur im Bereich des therapeutischen Klonens.

Die Forscher unterscheiden zwischen dem therapeutischen Klonen, bei dem menschliche Zellen geklont werden, um Ersatzgewebe für medizinische Zwecke zu gewinnen, und dem reproduktiven Klonen, das die Erzeugung lebensfähiger Menschenkopien zum Ziel hat. Doch die Grenzen sind fließend. Beiden Methoden eigen ist die Klonierung menschlicher Zellen – beim therapeutischen Klonen kann ebenfalls ein Embryo zur Gewinnung von Ersatzgewebe oder den begehrten embryonalen Stammzellen hergestellt werden. Nach Entnahme des gewünschten Teiles wird dieser Embryo jedoch, anders als beim reproduktiven Klonen, vernichtet.

Wie weit darf die Forschung gehen, ohne die Menschenrechte oder die Menschenwürde zu verletzen? Die Uno tut sich schwer mit einer allgemein gültigen Vereinbarung, bei der auch unterschiedliche nationale und wirtschaftliche Interessen auf einen Nenner gebracht werden müssten.

In Deutschland hat sich der Bundestag im Februar dieses Jahres mit breiter Mehrheit gegen jegliche Form des Klonens von Menschen gewandt und die deutsche UN-Delegation aufgefordert, eindeutig nein zum Klonen zu sagen. Bereits 1991 wurde das Klonen von Embryonen gesetzlich verboten. Eine ähnliche Regelung gibt es in Frankreich. Doch die Vertreter beider Staaten hielten sich nicht an ihre Vorgaben. Sie brachten im September eine informelle Erklärung, ein so genanntes Non-Paper, in die Diskussionen der Uno ein, in dem sie zwar ein Verbot des reproduktiven Klonens forderten, das therapeutische Klonen aber nationalen Moratorien oder gesetzlichen Regelungen überlassen wollten.

Dies sei eine »Brüskierung des Bundestages«, wetterte Hubert Hüppe von der CDU, ein Aufschrei der Entrüstung war in der deutschen Parteienlandschaft zu hören. Die deutsch-französische Delegation zog das Non-Paper zurück, am 2. Oktober legten Belgien, China und ein gutes Dutzend weiterer Staaten dann jedoch überraschend einen Resolutionstext vor, der dem deutsch-französischen fast wie ein Klon glich. Kritiker witterten eine deutsch-französische Taktik, doch beweisen lässt sich ein länderübergreifendes Gemauschel nicht.

Sicher ist nur, dass China ein sehr großes Interesse an der Zulassung des therapeutischen Klonens hat, will es sich doch als interessanter Forschungsmarkt für die westliche Welt darstellen. US-amerikanische Wissenschaftler haben in China bereits Embryonen geklont. Zwar sind die Forscher der New York University School of Medicine, die zusammen mit chinesischen Kollegen der Sun Yat-Sen Universität in Guangzhou einer 30jährigen Frau durch das Klonen zum eigenen Kind verhelfen wollten, gescheitert, doch haben die Forscher vor der Jahrestagung der American Society for Reproductive Medicine weitere Experimente angekündigt.

Auf dem heimischen US-Markt ist das Klonen extrem umstritten. Die Bush-Administration steht diplomatisch eindeutig auf Seiten der christlich-konservativen Gegner des Klonens, ihr fehlt jedoch der Rückhalt des Parlaments. »Um das nationale Klonverbot anzunehmen, braucht die Administration eine 60prozentige Mehrheit im Senat. Diese ist aufgrund der Position der Demokratischen Partei nicht zu erreichen«, so Peter Liese, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Bioethik im Europäischen Parlament.

Zudem sitzt Bush die eigene biotechnologische Lobby im Nacken. Bislang ist in den USA noch vieles im Bereich des Klonens möglich, da es keine nationale Regelung gibt. Die Konzerne fordern lautstark eine Beibehaltung der lockeren Bestimmungen. Ihre Position wird von den meisten Demokraten, aber auch von vielen Linken unterstützt, die die in Deutschland vorherrschenden ethischen Bedenken und die Kritik an der Biotech-Industrie nicht teilen. Sie sehen ein Klonverbot als Angriff reaktionär-fundamentalistischer »Lebensschützer« auf den medizinischen Fortschritt.

Seit der Vorlage des belgischen Resolutionstextes ist die Uno in dieser Frage gespalten. Die Gegenpartei wird derzeit angeführt von Costa Rica, das in der internationalen Politik sonst selten auffällt, nun aber zusammen mit dem Vatikan und weiteren katholischen Staaten ein striktes Klonverbot fordert. Mittlerweile haben sich gut 50 Staaten hinter diesen Entwurf gestellt, darunter auch die USA.

Die deutsche Delegation hat sich noch nicht festgelegt. Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Delegationsmitglied bei den UN, erklärte Mitte Oktober vor dem Bundestag: »Eine Konvention, die von den wichtigsten Klonforschungsstaaten nicht unterstützt wird, ist zahnlos und nicht effektiv.« Die deutsche Delegation propagiert die Logik des kleineren Übels. Um überhaupt eine internationale Regelung durchsetzen zu können, sollen den Staaten, die sonst ungehemmt klonen würden, Zugeständnisse gemacht werden. Das könnte nebenbei auch der heimischen Biotech-Industrie neue Möglichkeiten eröffnen.

Aus einem kleinen Übel wird nicht selten ein immer größeres, und es bleibt fraglich, ob die Deutschen mit ihrem diplomatischen Charme andere Staaten vom Klonkurs abbringen können. Richtig ist andererseits, dass während der UN-Debatten Fakten geschaffen werden.

Island und Estland haben die Gene ihrer Bevölkerung bereits den US-Unternehmen Decode und Egeen überantwortet, die australische Firma Autogen hat bereits im Jahre 2000 die genetische Erfassung der Einwohner des pazifischen Königreichs Tonga abgeschlossen. Laut einer Studie des kalifornischen Zentrums für Genetik und Gesellschaft (CGS) haben 77 Prozent aller Länder noch keine nationale Regelung zum Klonen.

Die Zeit drängt also. Doch die aktuellen Verhandlungen der Uno zum Klonverbot gerieten erneut ins Stocken. Am Mittwoch der vergangenen Woche bestellte der Vorsitzende des für internationale Verträge zuständigen 6. Komitees je fünf Befürworter der costa-ricanischen und der belgischen Variante zu einem Gespräch, das jedoch offenbar ergebnislos blieb. Experten gehen nun von einer Vertagung auf Anfang 2004 aus. Beim gegenwärtigen Tempo der Verhandlungen dürften die Klondesigner schneller Erfolg haben als die Befürworter einer internationalen Konvention.