Die Meistermacherin

Wer schon immer mal zeigen wollte, welch leichte Sache das Management eines Fußballvereins ist, wird auf www.hattrick.org fündig. von elke wittich

Eine ausgewiesene Realistin zu sein, bedeutet vor allem eins: Man weiß ganz genau, was man in diesem Leben ganz sicher nicht mehr werden wird. Ministerin, zum Beispiel, oder Kunstturnweltmeisterin oder Fußballvereinsmanagerin.

Eigentlich schade, denn zu wissen, wie man sich denn als Ministerin oder Weltklassegymnastin so fühlt, wäre eigentlich schon schön.

Immerhin: Wie das mit dem Uli-Hoeneß-Sein, also dem fußballerischen Verlieren und Gewinnen, in Wirklichkeit ist, kann man im Internet unter www.hattrick.org simulieren.

Dort bekommt man nach unkomplizierter Anmeldung einen Verein, den man nach Herzenslust beherrschen darf. In einem durchaus internationalen Kontext, denn hattrick versteht sich als globale Plattform. Die besten Manager eines jeden Landes haben zum Beispiel die Chance, für die nationalen Auswahlkicker verantwortlich zu werden.

Um zu verhindern, dass mein netter kleiner Verein es zum Beispiel mit großen, bösen Herthanern zu tun bekommt, wird »Kvikk Halden« in Nordrhein-Westfalen angemeldet. Eine ganz tolle Idee, wie sich nur vier Tage später herausstellt, als die Mannschaft endgültig in den laufenden Betrieb der Spielklasse VII. 613 integriert wird. Wo sie es mit »Unimog Euskirchen«, der »Südkurve Flöz«, den »Fleecies Bären«, den »SF Playboy«, einem Etwas namens »*S*T*A*R*S«, mit der »Chemie U-Schlag« und – yes! – den »Hertha Fröschen« aufnehmen muss.

Aua.

Ein Besuch in der Kabine zeigt zudem, dass die Spieler von Kvikk Halden zum Unfähigsten gehören, das je auf einem Fußballplatz herumgelaufen ist. Wäre der letzte linke Student mit einer Beschreibung der Spieler beauftragt, würde sie unweigerlich lauten: Sie können: nichts. Und sind außerdem noch: doof.

Immerhin unterscheiden sie sich darin nicht wesentlich von ihrem Trainer, der als erste Amtshandlung gefeuert wird. Denn jetzt muss ein Schleifer her, der den Deppen das 4-4-2-System zur Not gewaltsam beibringt. Nach nur zwei Spieltagen liegt Kvikk Halden bereits ohne Punkte auf dem vorletzten Platz.

Wenigstens hat der nächste Gegner Chemie U-Schlag ein noch schlechteres Torverhältnis.

Das Samstagsspiel muss also die große Wende bringen, denn die Sponsoren sind zwar noch durchaus zufrieden, aber es sind schon einige Vereinsaustritte enttäuschter Fans zu beklagen.

So wird der neue Coach Luis Esteves – der böseste Trainer, der für wenig Geld zu bekommen war – angewiesen, die Trainingsintensität um 100 Prozent zu steigern und den Jungs erst einmal die Grundlagen des Fußballspielens beizubringen.

Um zu dokumentieren, dass im Verein ab sofort ein ganz anderer Wind weht, werden überdies zwei Spieler auf die Transferliste gesetzt. Karsten Kück und Nino Rochlitz sind zwar nicht schlechter als die anderen Loser, aber sie haben blöde Vornamen – wenn man schon mit einem derart bescheuerten Team geschlagen ist, hat man wenigstens ein Anrecht darauf, dass die Kicker hübsch heißen. Finde ich.

Nach diesem Prinzip wird auch bei den Neueinkäufen verfahren. Óli Stefán Gudsson, Arild Johansen und Brett Cochrane werden das Team künftig auf den entscheidenden Positionen verstärken.

Oder auch nicht. Nachzugucken, wie so ein Spieler überhaupt drauf ist, bevor man Geld für ihn ausgibt, wäre eine gute Idee gewesen. Torwart Brett wird nämlich als »umstrittene Person« geschildert, die »darüber hinaus temperamentvoll und unehrlich« sei. Temperamentvoll bedeutet im Hattrick-Sprech, dass ein Kicker seine Emotionen nicht im Griff hat und ganz gern mal ohne Not Foul spielt.

Und unehrlich bedeutet unehrlich. Brett ist noch keine zwei Minuten im Kvikk-Kader, da wird in der Rubrik »Verein« schon verkündet: »Der Spieler, den du kürzlich verpflichtet hast, verursachte eine Störung des Mannschaftsklimas, was sich negativ auf die Teamstimmung auswirkte.«

Aber es wird noch schlimmer kommen, doch davon später.

Jetzt gilt es nämlich, Experten einzustellen. Zuallererst einen Psychologen, der die sensiblen Seelchen wieder aufrichtet. Und gleich zwei Finanzexperten, die den gerade begonnenen Stadionausbau von 100 überdachten Sitzplätzen monetär absichern sollen, einen Physiotherapeuten und einen Arzt, einen Torwart- und zwei Cotrainer. Alle zusammen sollen dafür sorgen, dass der 20. März 2004 als Tag des ersten Sieges in die Vereinsgeschichte eingeht.

Vorher noch ein bisschen Kicken zu üben, wäre nicht schlecht, deswegen wird für den Mittwoch, an dem normalerweise die Pokalspiele ausgetragen werden, ein Gegner für ein Freundschaftsspiel gesucht. Kvikk hat mittwochs nämlich frei, weil die Luschen natürlich schon längst aus dem Wettbewerb geflogen sind. Blöderweise sind wir jedoch zu spät dran, und die komplette Welt hat sich schon miteinander verabredet.

Als Gegner eines friendly matches besonders geeignet war zudem Concordia Kreuzberg erschienen, deren Manager auch so seine Probleme zu haben scheint. Seine letzte Presseerklärung lautete nämlich: »In dieser Spielzeit scheidet Concordia bereits in der 2. Runde des Pokals aus. Da kann man nichts schönreden. Das ist einfach ungeheuerlich. Weiter so Jungs, dann steigen wir auch noch ab.«

Der Manager, der sich »Der Doktor« nennt, meldet sich aber auf eine entsprechende, höflich verfasste E-Mail hin bedauerlicherweise nicht und die Aufforderung zum Spiel nimmt er auch nicht an.

Gut, dann reist Kvikk Halden halt am 24. März ins Ruhrgebiet, wo sie vom Ligakonkurrenten Südkurve Flöz eingeladen wurden. Zuvor müssen jedoch die Chemiker geschlagen werden. Aber mit welcher Mannschaft? Der einzige Spieler, der auch nur annähernd über so etwas wie Fähigkeiten verfügt, ist Torwart Brett. Der Rest weist in den Feldspielerrubriken Kondition, Spielaufbau, Passspiel, Flügelspiel, Verteidigung, Torschuss und Standardsituationen Bewertungen auf, die von katastrophal bis erbärmlich reichen.

Immerhin, wer Kapitän wird, ist schon klar: Der Ballzauberer Armin Prell ist ein lieber Kerl, der dazu auch noch über gute Führungsqualitäten verfügt. Der Rest wird halt so auf den verschiedenen Positionen verteilt, damit er nicht groß stört.

Um umgehend überheblich zu werden: Zwei Stunden vor dem alles entscheidenden Spiel gegen Chemie U-Schlag ist die Stimmung der Mannschaft gut, man fühlt sich stark.

Und deswegen bekommt die bis dato eigentlich recht optimistische Halden-Managerin auf der Stelle ganz dolle Angst. Eine dem FC Bayern ähnliche Arroganz ohne ein dem FC Bayern ähnliches Können funktioniert nicht. So viel steht fest.

Und das große Spiel geht deswegen von Anfang an schief: »U-Schlag ging in der dritten Minute nach einem herrlichen Freistoß von Knud Bojak in Führung. Somit steht es 1:0«, meldet der hattrick-Ticker. Nur wenig später steht fest: Dies ist kein Dreipunkte-Tag. »Nach elf Minuten konnte Jan Werz die Führung für U-Schlag weiter ausbauen. Er stieg gekonnt zum Kopfball hoch und platzierte den Ball unerreichbar für den gegnerischen Torwart zum 2:0. Aber auch die Vorarbeit über den rechten Flügel war sehenswert.«

Sätze, die für einen Vereinsmanager, der weder über einen rechten noch über einen linken Flügel verfügt, wie absoluter Hohn klingen. Und für eine Vereinsmanagerin, die gerade erst viel Geld für einen Torwart ausgegeben hat, erst recht: Bretts einziger Verdienst besteht darin, dass er »auf seinem Posten steht«, vulgo: hin und wieder mal den Ball fängt. Das Spiel geht entsprechend glatt mit 0:3 verloren.

Trotzdem: Südkurve Flöz sollte sich mal besser warm anziehen – ich habe nämlich einen Plan.