Die ehrlichen Makler

Trotz gelegentlich unterschiedlicher Haltungen zum Nahostkonflikt verfolgen die SPD und die Grünen das gemeinsame Ziel, den deutschen Einfluss in der Region zu stärken. von markus bickel

Ich sehe bei Fischer eine viel stärkere Sensibilität für die Geschichte der Vergangenheit als bislang bei Schröder«, sagte der ehemalige Präsident des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, kurz vor seinem Tod im Gespräch mit der Jungle World. Das war im Mai 1999. Erstmals seit 1945 beteiligte sich Deutschland mit der Bombardierung Jugoslawiens wieder an einem Krieg. Und der Bundeskanzler sowie sein Außenminister hatten alle Hände voll zu tun, die eigenen Parteimitglieder von der historischen Rechtmäßigkeit ihrer Mission zu überzeugen.

Dass weder Fischer und seine Grünen noch Schröder samt Genossen die abwegige Analogie zwischen dem Nationalsozialismus und dem Regime Slobodan Milosevics scheuten, wurde von Bubis während des Kosovokrieges zu Recht kritisiert. Und es ist kein Zufall, dass drei Jahre später Schröder derjenige war, der per Tabubruch erneut außenpolitisch auftrumpfen wollte. Mit seinem im April 2002 geäußerten Vorschlag, die Bundeswehr könne sich an einer »Friedensmission« im Nahen Osten beteiligen, erntete er wenig Widerspruch. Immerhin kritisierte die Frankfurter Rundschau, Schröder habe »in einer Mischung aus historischer Ignoranz und deplatziertem Wahlkampfkalkül erheblichen politischen Schaden angerichtet«.

Fischer machte sich zur gleichen Zeit im Nahen Osten fast überall Freunde, egal, ob er mit Politikern aus Tel Aviv, Damaskus oder Teheran zusammentraf. Die hiesigen Medien lobten Fischer als »ehrlichen Makler« in dem Konflikt, was nur ein verklärender Ausdruck dafür ist, dass ihm vor allem daran gelegen ist, Deutschlands Rolle im Nahen Osten gegenüber den USA, Großbritannien und Frankreich zu stärken. Es mangelte jedenfalls nie an Äußerungen arabischer oder israelischer Gesprächspartner, mit denen das vermeintlich besondere Gespür des Außenministers für seine Mittlertätigkeit in der Region belegt werden konnte.

Eine prinzipielle Einordnung der sozialdemokratischen Nahostpolitik als israelkritisch und derjenigen der Grünen als israelfreundlich lässt diese Rollenverteilung zwischen dem Kanzler und dem Außenminister dennoch nicht zu. Dazu muss man nicht einmal die stets in Gegendarstellungen bestrittenen antiisraelischen Äußerungen Christian Ströbeles, des Lieblings der grünen Basis, aus der Zeit des Zweiten Golfkrieges Anfang der neunziger Jahre herauskramen.

Als etwa die Friedrich-Ebert-Stiftung im Februar in Beirut ihre umstrittene Konferenz zum islamisch-westlichen Dialog veranstaltete, hielt der Sprecher des Gesprächskreises Naher und Mittlerer Osten der SPD-Bundestagsfraktion, Christoph Zöpel, die Eröffnungrede. Weil er es sich nicht nehmen ließ, die Selbstmordattentate palästinensischer Extremisten zu verurteilen, verließ der Repräsentant der Hamas im Libanon aus Protest den Saal.

Aber nicht nur die Tatsache, dass ausgerechnet Israel seit Jahren vertrauensvoll mit deutschen Geheimdiensten zusammenarbeitet, um in Verhandlungen mit der libanesischen Hizbollah die Freilassung israelischer Gefangener durchzusetzen, spricht gegen ein Weltbild, das Deutschland zum Freund der arabischen Staaten und zum Gegner des jüdischen Staates erklärt. Allein um ihren wachsenden Einfluss im Nahen Osten nicht aufs Spiel zu setzen, ist die Bundesregierung darauf angewiesen, sich mit Israel gut zu stellen. Auf diesem Kalkül dürfte auch die Entscheidung beruhen, der Anhörung zum israelischen Grenzzaun vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag fern zu bleiben. Selbst Schröder bezeichnete den Beginn der Verhandlungen im Februar als »nicht hilfreich«.

Sicherlich, Unterschiede zwischen den Grünen und den Sozialdemokraten werden immer wieder sichtbar. Israels Rückzug aus dem Gazastreifen etwa gewann Fischer positive Seiten ab, während Schröder es verurteilte, dass US-Präsident George W. Bush den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon in dieser Frage unterstützte. Und wo der Bundeskanzler auf »Äquidistanz« pocht, wie zuletzt im Mai beim Besuch des palästinensischen Premiers Mohammad Qurai in Berlin, hält sich der Außenminister auffällig zurück. Auch Fischers Charakterisierung des »Jihad-Terrorismus« als »gefährlichster Bedrohung unserer Zeit« würde Schröder so nicht zustimmen.

Außenpolitische Differenzen dürften dafür allerdings weniger der Grund sein als Fischers Streben nach höheren Ämtern in der EU und seiner damit verbundenen Tätigkeit als Vermittler in Nahost. Außerdem begann er schon Mitte der neunziger Jahre damit, sein Profil als Außenpolitiker zu schärfen, im Unterschied zu Schröder, der damit erst während seiner Kanzlerschaft anfing. Darüber hinaus greifen beide zum Teil auf dieselben Berater zurück, wenn es um die Erörterung der geschicktesten Strategien zur Erweiterung des europäischen Einflusses im östlichen Mittelmeerraum geht.

Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik gehört zu den bekanntesten. Sein Urteil über den Umgang mit islamistischen Gruppen wird von Parlamentariern und Staatssekretären beider Regierungsparteien geteilt. »Wenn eine Organisation wie die Hizbollah dabei ist, sich zu entscheiden, die militärische Option aufzugeben und sich in eine politische Partei umzuwandeln, dann gilt es diejenigen zu unterstützen, die den Dialog suchen«, sagte Perthes auf der Konferenz in Beirut, die von der Ebert-Stiftung gemeinsam mit dem Consultative Center for Studies & Documentation (CCSD), einem Think Tank der Hizbollah, ausgerichtet wurde.

Europa sei auch deshalb ein verlässlicherer Partner für die Regierungen der Region als die USA, weil es »das Demokratiedefizit in der arabischen Welt nicht erst im Kontext des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus« entdeckt habe. Und eine stärkere Rolle der EU im Mittleren und Nahen Osten wünschen sich alle im Bundestag vertretenen Parteien.

Auf dem G 8-Gipfel Anfang Juni in Georgia zeigte sich bereits, dass die USA das deutsch-französische Drängen nach einer Änderung ihrer »Greater Middle East Initiative« nicht einfach ignorieren können: »Partnership for Progress« heißt das veränderte Papier jetzt. Die erste Fassung des vom State Department im Frühjahr lancierten Konzepts hatte die Staatschefs der US-Alliierten Ägypten, Kuwait und Marokko so sehr verärgert, dass sie die Einladung Bushs nach Sea Island ausschlugen.

Angesichts der neuen Irak-Resolution des Sicherheitsrats dürfte die Zeit nach der Übernahme der Souveränität durch die irakische Regierung Ende Juni ohnehin weiter für die kerneuropäischen Führungsmächte arbeiten. Und auch in der zweiten Runde des libanesisch-israelischen Gefangenenaustauschs wird nicht das Parteibuch des deutschen Außenministers über Erfolg und Misserfolg entscheiden, sondern der traditionell gute Ruf deutscher Agenten im Iran, in Israel und Libanon.