LeserInnenworld

Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen. Zuschriften bitte an: briefe@jungle-world.com oder per Post an die Redaktion.

Jungle World, zur vorliegenden Ausgabe

Vorauseilende Kritik

Hiermit kündige ich mit sofortiger Wirkung mein Abonnement. Wer sich als Redaktion in Israel gegen den Sicherheitszaun ausspricht, wird nicht erwarten können, dass ich solch ein Projekt weiter stütze. Auch der Besuch in Gaza hat gezeigt, wo Jungle World steht.

jörg rensmann, mail vom 15.6.2004

Jungle World 24/04: Der Rekord ruft

Stirn berührt den Himmel

In einer Zeitung wie der Jungle World dürfte doch zu erwarten sein, dass Bergmassive so benannt werden, wie sie seit je bei den Menschen heißen, die dort leben. Die Menschen in der Sagarmatha-Bergregion wurden ebenso wenig gefragt, ob sie mit derlei Entweihung ihres heiligen Berges einverstanden waren, wie die Menschen des Karakorum im heutigen Pakistan, die die Umbenennung des Chogo-Ri (Der alles Überragende) in »Mount Austin-Godwin«, nach irgendeinem britischen Offizier dieses Namens, oder in den bis heute üblichen Vermessungsbegriff K2 (der zweite kartographierte Berg im Karakorum) ertragen mussten. Zumindest letzteres wird in dem Artikel am Rande erwähnt, allerdings fragt sich, ob ein Beitrag, der krankhaftem Extrembergsteigerwahn huldigt, überhaupt in der Jungle World zu lesen sein muss.

claudia kierspe-goldner

Jungle World 23/04: Die Arbeit der Kritik

Abgefahrener Zug

Der Interpretation Dahlmanns folgend, war im 19. Jahrhundert die Welt noch in Ordnung: Der »sich selbst bewusste Bürger« war noch Subjekt. Er war der »Träger« der Ware, d.h. derjenige, der sie zu Markte trug, und stand dieser als Abgetrenntes gegenüber. Je weiter jedoch die »innere Landnahme« voranschreitet, desto härter wird auch die Schale des verdinglichten Bewusstseins, d.h. in dem Maße, wie sukzessive eine qualitative Vielfalt von Beziehungen durch eine einzige, und zwar diejenige, die durch den Wert vermittelt wird, substituiert wird, wird diese Beziehung zunehmend als die einzig mögliche und daher notwendige gedacht. Soweit ist sowohl der Bestimmung der Subjektivität, die ohne Subjektcharakter erscheint, als auch der der voranschreitenden reellen Subsumtion des Lebens unter das Kapitalverhältnis zuzustimmen. Verblüffend wirkt allerdings Dahlmanns Schlussfolgerung: Es geht ihm »um nichts Geringeres als die Möglichkeit einer zumindest gedanklichen Restitution des Bürgers auch unter den aktuellen Bedingungen«. Dass Dahlmann eine Kehrtwende zurück zu den Segnungen des klassischen Bürgertums für erstrebenswert hält, eine Perspektive, die, nebenbei bemerkt, das Schicksal der Proletarier hinten runter fallen lässt, ist seine Sache; dass er allerdings Postone dahingehend interpretiert, ist grober Unfug. Postone geht es u. a. darum, sich von einer (ausschließlichen) Interpretation der bürgerlichen Gesellschaft als eine durch den Klassenantagonismus bedingte zu distanzieren. Dahlmanns These, dass es Postone um eine Restauration des klassischen Bürgertum ginge, legt nahe, dass es sich bei dieser Forderung um eine Variation der These handelt, die an der Aufklärung als der »Bedingung der Möglichkeit« festhalten will, wohl wissend, dass dieser Zug schon längst abgefahren ist.

daniel knopp