Tausend Jahre Knast

Mit den Urteilen im Ela-Prozess und der Verschärfung der Haftbedingungen für politische Gefangene rächt sich Griechenland an ehemaligen Staatsfeinden. von harry ladis, thessaloniki

Der griechische Staat wollte alle verurteilen. Es ist ihm nicht gelungen, denn einer der fünf Angeklagten im Anfang Oktober abgeschlossenen Prozess gegen die Stadtguerilla-Organisation Ela (Revolutionärer Volkskampf) wurde freigesprochen. Doch die griechische Justiz kann sich über den exemplarischen Wert der Strafen, die über die anderen vier Angeklagten verhängt wurden, wirklich nicht beklagen: Jeder von ihnen wurde zu 1 174 Jahren Gefängnis verurteilt. Damit lag das Strafmaß deutlich über den vom Staatsanwalt für Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beteiligung an zwei Morden, 17 Mordversuche und 69 Sprengstoffanschläge geforderten 972 Jahren Haft. Das Urteil wurde allerdings vom Gericht zu einer Haftstrafe von 25 Jahren zusammengezogen, was für die Verurteilten, den über 50 Jahre alten Christos Tsigaridas, Angeletos Kanas, Kostas Agapiou und Irini Athanasaki, gleichbedeutend mit lebenslänglich ist. Der fünfte Angeklagte, der Bruder des 1977 von der Polizei erschossenen Ela-Gründers Christos Kasimis, wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Die Anträge auf Freilassung bis zum Beginn des Berufungsprozesses wurden abgelehnt, obwohl sich alle Angeklagten in den zwei Monaten vor der Urteilsverkündung auf freiem Fuß befanden und keiner von ihnen einen Fluchtversuch unternahm. Angesichts der Tatsache, dass als einziger Beweis für die Schuldsprüche die widersprüchlichen Aussagen der Kronzeugin Sofia Kiriakidou (Jungle World, 33/04) dienten, kann man die verhängten Strafen als staatlichen Racheakt bezeichnen.

Von Rachegedanken geprägt waren bereits die Reaktionen auf den Hungerstreik von sechs Gefangenen der Gruppe »17. November« in den vergangenen vier Wochen. Sie protestierten gegen die Sonderhaftbedingungen, unter denen sie im Gefängnis von Koridallou leben müssen und fordern die Entfernung der oberen »Schutzgitter« von dem eigens für diese Gruppe der Häftlinge ausgebauten Gefängnishof, der ihnen keinen Blick in den Himmel gestattet. Auf den Protest reagierte der griechische Justizminister Anastasios Papaligouras vergangene Woche mit einer zynischen Äußerung. »Wir sind nicht schuld, wenn Koufodinas stirbt. Sie haben den Hungerstreik gewollt«, sagte er gegenüber einem von ihm berufenenen Ausschuss von Parlamentariern, Strafverteidigern und Menschenrechtlern. Erst als der Kopf der Gruppe, Dimitris Koufodinas, nach 21 Tagen Hungerstreik ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, fühlte sich Ministerpräsident Kostas Karamanlis bemüßigt, sich für eine Lösung des Problems einzusetzen. Die Gitter wurden entfernt, die Gefangenen können jetzt wieder in den Himmel blicken.

Die Mitglieder des »17. November« gaben sich mit diesem ersten Sieg zufrieden. An ihrem Protest scheiterte der Versuch der rechtskonservativen Regierung, ihre sozialistischen Vorgänger an Brutalität im »Kampf gegen Terrorismus« zu übertreffen. Maßnahmen wie die Verweigerung von Arbeits- oder Unterhaltungsmöglichkeiten im Gefängnis erinnern an die berüchtigten »weißen Zellen« von Stammheim.

Die ehemaligen Stadtguerilleros wurden in ihrem Kampf für bessere Haftbedingungen auch von den Insassen anderer Gefängnisse unterstützt, die in in einen »Soli-Hungerstreik« eintraten. 700 von ihnen streiken weiter und wollen zugleich ihre eigenen Forderungen stellen, z.B. erleichterte Bedingungen für Hafturlaub und die Möglichkeit für ausländische Gefangene, ihre Strafe in ihrem Herkunftsland verbüßen zu dürfen.

Dazu hat sich die griechische Regierung bereits etwas überlegt: In Albanien soll eine von Griechenland finanzierte Strafanstalt errichtet werden, wo albanische Häftlinge »entsorgt« werden können.