Die Achse der Blockierer

Die Debatte über die UN-Reform von jörn schulz

Gerhard Schröder bezeichnet jene, die mit seiner Politik nicht einverstanden sind, gerne als Blockierer. Und solche Leute mag er gar nicht. Ganz anders stehen die Dinge in der internationalen Politik. Da bedarf es nach Ansicht des Bundeskanzlers unbedingt neuer Blockierer, und einer von ihnen soll Deutschland sein.

Bei der geplanten Erweiterung des UN-Sicherheitsrates dürfe »nicht mit zweierlei Maß gemessen werden«, forderte Schröder am Donnerstag der vergangenen Woche während seines Besuchs in Japan. Notwendig sei es daher, dass auch die neuen ständigen Mitglieder ein Vetorecht haben.

Außenminister Joschka Fischer und zahlreiche CDU-Politiker unterstützten den dreisten Vorstoß des Bundeskanzlers. Die Kritik beschränkte sich in der Politik und den Medien Deutschlands fast ausschließlich auf taktische Fragen. Könnte Schröders Forderung als Ausdruck des Größenwahns gewertet werden und die deutsche Verhandlungsposition schwächen? War es wirklich clever, ausgerechnet in Japan auf dieses Thema zu sprechen zu kommen?

Auch Japan will in den Sicherheitsrat, und Premierminister Junichiro Koizumi hätte ebenfalls gern ein Vetorecht. Koizumi, der sich alljährlich an einem Schrein zur Verehrung von Kriegsverbrechern einfindet, ist jedoch in Staaten wie China, die im Zweiten Weltkrieg von Japan besetzt waren, nicht allzu beliebt. Noch während des Schröder-Besuchs verabschiedete die japanische Regierung neue Verteidigungsrichtlinien, die China zu einer Bedrohung erklären. China aber könnte den Einzug neuer Blockierer in den Sicherheitsrat blockieren.

Um dem vorzubeugen, versuchte Schröder vor seinem Japan-Besuch in China das Wohlwollen der KP-Führung zu gewinnen. Er ersparte seinen Gastgebern nicht nur Mahnungen wegen Menschrechtsverletzungen, sondern forderte auch eine Aufhebung des EU-Waffenembargos. Solche Beispiele der Friedenspolitik dürften sich in Zukunft häufen, denn neben den Vetomächten des Sicherheitsrats müssen auch möglichst viele der 191 UN-Mitgliedsstaaten, die in der Generalversammlung über die Reform abstimmen, für das deutsche Anliegen gewonnen werden.

Für die meisten dieser Staaten spielt es eine geringe Rolle, ob die Oligarchie im Sicherheitsrat noch um einige Neulinge ergänzt wird. Denn die UN-Reformatoren halten an dem Prinzip fest, allein den wirtschaflich oder militärisch mächtigen Staaten die begehrten Sitze zuzuteilen. Mehr als 90 Prozent der »internationalen Gemeinschaft« werden von vorneherein ausgeschlossen, und die für die so genannte Dritte Welt vorgesehenen Plätze sollen den Regionalmächten zufallen.

Der Sicherheitsrat kann daher auch nach seiner Erweiterung nicht, wie die Bundesregierung behauptet, größere Legitimität beanspruchen. Der Einzug neuer Vetomächte könnte realpolitisch vorteilhaft sein, denn je größer die Zahl der potenziellen Blockierer ist, desto weniger Unheil kann der Sicherheitsrat anrichten. Der Golfkrieg von 1991 und das anschließende Embargo, die weit mehr zivile Opfer forderten als der Alleingang der USA 2003, waren vom Sicherheitsrat beschlossene Maßnahmen.

Dennoch wäre der Einzug Deutschlands und auch Japans in den Sicherheitsrat eine politische Katastrophe. Die Rehabilitation der Aggressoren des Zweiten Weltkriegs, die ihre Außenpolitik in den vergangenen Jahren rasant militarisiert haben, würde damit vollendet. Und sowohl Schröder als auch Koizumi haben deutlich gemacht, dass sie mit dem gewachsenen Einfluss ihrer Staaten noch lange nicht zufrieden sind.