Autonomie reicht nie

Bei den Regionalwahlen im Baskenland haben die baskischen Nationalisten die besten Aussichten. Nur Batasuna ist ausgeschlossen. von gaston kirsche

Álava ist das Herz des Baskenlandes. Wir können nicht erlauben, dass die Volkspartei und die Sozialisten uns die Möglichkeit nehmen, gemeinsam mit den anderen baskischen Brüdern am Prozess des Aufbaus des Baskenlandes teilzunehmen«, rief Juan José Ibarretxe bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Provinz Álava. Ibarretxe ist Ministerpräsident des Baskenlandes, seine Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) regiert hier seit 25 Jahren.

Die nächsten Regionalwahlen finden am 17. April statt, und so redet sich Ibarretxe, der sich ansonsten bemüht, als besonnener Staatsmann aufzutreten, auch mal in Rage. In weiten Teilen der Autonomen Region Baskenland kontrolliert die PNV die Verwaltung, zumeist im Bündnis mit der sozialdemokratischen Partei Baskische Solidarität (EA). In der Provinz Álava aber regiert eine Koalition der konservativen Volkspartei (PP) und der Sozialistischen Arbeiterpartei (Psoe). In Madrid sind beide harte Konkurrenten, im Baskenland unterstützen sich die großen spanisch-nationalen Parteien gegenseitig. »Sie wollen die Identität Álavas und des Baskenlandes in der spanischen auflösen wie ein Stück Würfelzucker«, warf Ibarretxe ihnen vor.

Psoe und PP aber haben kaum Gelegenheit, das baskische Würfelzuckerstück in die Finger zu bekommen. In den meisten Rathäusern und in zwei der drei baskischen Provinzen regieren die baskischen Nationalisten. Auch im Regionalparlament gehört die Mehrheit dem Bündnis aus PNV, EA sowie der Baskischen Linken (EB), wie die regionale Sektion der spanischen Vereinigten Linken heißt.

Den Umfragen zufolge wird sich die gemeinsame Liste von PNV und EA bei den Regionalwahlen auf 44 Prozent verbessern und nur knapp die absolute Mehrheit der Mandate verfehlen. Der Baskischen Linken wird eine Steigerung auf sechs Prozent vorausgesagt. Die Frage am Wahlabend wird sein, ob PNV und EA mit oder ohne die Linken weiter regieren werden. Für eine Fortsetzung der Dreierkoaliation dürfte es in jedem Fall reichen. Der Volkspartei prognostizieren die Umfragen rund 18 Prozent, den Sozialisten etwa 26 Prozent.

Ein großer Unterschied zu den Wahlen im Jahr 2001 besteht darin, dass sich die Sozialisten damals von den Konservativen in eine gemeinsame Wahlstrategie einbinden ließen. Diesmal hat der Spitzenkandidat des Psoe, Ptxi López, erklärt, sowohl mit dem PNV als auch mit dem PP koalieren zu können.

Bei der Fernsehdebatte zwischen den Spitzenkandidaten am Montag der vergangenen Woche wurde er deswegen scharf kritisiert. María San Gil von der Volkspartei sagte an seine Adresse: »Ich habe keinen Komplex, weil ich nicht nationalistisch bin.« Auf der anderen Seite warf Javier Madrazo von der Baskischen Linken López vor, die linken Wähler zu täuschen, weil er auch nach den Wahlen mit der Volkspartei zusammenarbeiten wolle. Ibarretxe wiederum meinte, dass sich PP und Psoe zu wenig für das Baskenland begeisterten: »Das Problem ist, dass sie nicht an dieses Land glauben. Um es zu führen, muss man aber daran glauben.«

Während sich im Fernsehstudio ein Unentschieden zwischen baskischen und spanischen Nationalisten abzeichnete, verwehrte die Polizei Arnaldo Otegi den Zugang zum regionalen staatlichen Fernsehsender. Otegi wäre der Spitzenkandidat von Batasuna – wenn die Partei nicht seit März 2003 verboten wäre. Damals trat ein neues Parteiengesetz in Kraft, das PP und Psoe gemeinsam im spanischen Parlament beschlossen hatten. Demnach kann jede Partei verboten werden, die sich nicht ausdrücklich von der Eta distanziert.

Obwohl Batasuna bei den Regionalwahlen 2001 rund zehn Prozent der Stimmen erhielt, wird die Partei seither von jeder Wahl ausgeschlossen. Auch die Gründung von Ersatzparteien ist verboten. Vor den spanischen Parlamentswahlen 2004 versuchte die damalige konservative Regierung in Madrid sogar, eine Auflösung der Parlamentsfraktion von Batasuna zu bewirken. Die hat sich nach dem Verbot von Batasuna in »Sozialistische Patrioten« umbenannt und ist bislang noch im Parlament vertreten.

Der spanische Staat versucht, jede Aktivität von Batasuna zu unterbinden. Dass die Organisation dennoch präsent ist, liegt zum einen am Unwillen der baskischen Regierung, das Verbot auch durchzusetzen. Zum anderen ist Batasuna eher eine Bewegung als eine Partei, entfaltet vielfältige Aktivitäten und wird von einem Zehntel der Bevölkerung im Baskenland unterstützt.

Otegi nutzte den Ausschluss von der Fernsehrunde, um medienwirksam vor den zahlreichen vor dem Fernsehsender versammelten Journalisten zu erklären: »Einige Kandidaten haben aus einem einzigen Grund Angst davor, dass die baskisch-patrotische Linke in den politischen Debatten präsent ist: weil wir die einzigen in diesem Wahlkampf sind, die ein Angebot haben, den Konflikt im Baskenland mit demokratischen Mitteln zu lösen.« Gemeint sind damit Verhandlungen zwischen der Eta und der spanischen Regierung, die außer Batasuna niemand befürwortet.

Wenige Tage zuvor hatte das Verfassungsgericht die Liste »Alle Optionen« (Aukera Guztiak) als Nachfolgeorganisation von Batasuna eingestuft und ihre Kandidatur untersagt. Ihre Kandidaten hatten beteuert, dass sie Verletzungen der Menschenrechte und Gewalt ablehnten, wollten aber nicht einseitig die Eta verurteilen. Der spanische Justizminister, Juan Fernando López Aguilar, begrüßte das Verbot, weil die Verbindung zu »Eta-Batasuna« bewiesen worden sei.

Am Tag nach dem Urteil des Verfassungsgesichts lud eine kaum bekannte Partei zur Pressekonferenz: die Kommunistische Partei der Baskischen Länder (Ehak). Weil die Listen von Batasuna und Aukera Guztiak illegalisiert worden seien, verkündeten die Spitzenkandidatinnen Maite Aranburu, Nekane Erauskin und Karmele Berasategi in einer gemeinsamen Erklärung, wolle man ihnen die Möglichkeit geben, an den Wahlen teilzunehmen. Die Ehak werde deshalb die Inhalte von Batasuna und Aukera Guztiak aufnehmen: »Wir haben entschieden, unseren Wahlkampf umzustellen, die beiden verbotenen Projekte vorzustellen und die Forderung nach Demokratie und Frieden zu unserem Hauptslogan zu machen.«

Der Vorsitzende der Volkspartei, Angel Acebes, schäumte und forderte, dass auch diese Partei umgehend verboten werde. Es sei offensichtlich, dass es sich hierbei um einen neuen Deckmantel der »terroristischen Organisation Batasuna-Eta« handle. Dumm gelaufen, denn die Partei wurde vor dem Verbot von Batasuna im Jahr 2002 ins Parteienregister eingetragen, kann also nicht einfach als Nachfolgepartei verboten weden. Der sozialdemokratische Justizminister, Juan Fernando López Aguilar, blieb gelassener. Sobald es hinreichende Indizien für eine Verbindung von Batasuna und Ehak gebe, werde er ein Verbotsverfahren einleiten. Das könne auch nach der Wahl geschehen.