Ein Kurde an der Spitze

Die Regierungsbildung im Irak

Der Bundespräsident teilt dem neugewählten Staatspräsidenten durch den Botschafter seine Glückwünsche mit, der Außenminister meldet in einer zweizeiligen Erklärung pflichtschuldig Gratulationen an. Für viel mehr als einen Aktenvermerk reicht die Begeisterung der deutschen Regierung über die Wahl des kurdischen Politikers Jalal Talabani zum irakischen Staatspräsidenten offensichtlich nicht. Noch weniger aufrichtige Glückwünsche hat einzig der amtierende US-Präsident nach seiner Wiederwahl erhalten.

Das ist in diesem Falle nicht einmal persönlich gemeint. Auch die deutschen Unternehmen, die mit Hermeskrediten gedeckt Giftgasfabriken an das Regime Saddam Husseins lieferten, taten dies nicht, weil sie etwas gegen Kurden hatten. Es fällt einfach leichter, den US-Präsidenten zu kritisieren, der als Jetpilot verkleidet die Irak-Mission für erfolgreich beendet erklärt, während die Reste des angeblich besiegten Regimes die Ausfallstraßen Bagdads in Todeszonen für US-amerikanische Soldaten verwandeln, als einzugestehen, dass sich im Irak vielleicht doch etwas geändert hat. Wie kaum ein anderes Ereignis steht die Wahl eines Kurden zum Präsidenten des vormals »arabisch-sozialistischen« Staates für eine Veränderung der dortigen Verhältnisse, wie sie von den USA einst propagiert wurde.

Dass die Iraker, wenn sie nur die Wahl haben, ein demokratisches System der Diktatur vorziehen, haben bereits die Wahlen gezeigt. Die Ernennung Jalal Talabanis zum Staatspräsidenten belegt nunmehr, dass entgegen allen Unglücksprophezeiungen in Bagdad Politik doch nicht nur mit Kalaschnikows gemacht wird. Nach zähen Verhandlungen zwischen kurdischen und schiitischen Parteien wird nunmehr eine Regierung gebildet. Interessenpolitik und Kompromisse haben die flammende ideologische Begeisterung ersetzt. Und das ist gut so.

Denn der revolutionäre Volksstaat, den alle Putschisten der irakischen Geschichte versprachen, fußte immer auch auf dem gewaltsamen Versuch, die Homogenität der »arabischen Einheit« in einem von Konflikten geprägten Land herzustellen. Die ideologische Begeisterung für die »Befreiung« der arabischen Nation und der Massenmord an Kurden sind entgegen manch linker Interpretation eben nicht voneinander zu trennen. Mit Jalal Talabani hat der Irak jetzt nicht nur einen Präsidenten erhalten, der zu jener Bevölkerungsgruppe zählt, die sich dem arabischen Volksbegriff am vehementesten widersetzt hat, sondern zugleich einen, dem ideologischer Eifer fern liegt. Talabani möchte keinen Gottesstaat, und er glaubt nicht an eine zionistische Weltverschwörung. Vor allem aber steht der neue irakische Präsident dafür, dass es den Kurden nicht um eine möglichst rasche Unabhängigkeit, sondern um Beteiligung an der Regierungsgewalt geht.

Genau dies passt so gar nicht in das Konzept der deutschen Regierung. Nicht, dass man in Berlin die Ausrufung eines Kurdenstaates begrüßen würde. Als der heutige Präsident die irakische Opposition vertrat, wollte man ihn im Auswärtigen Amt nicht einmal empfangen, um nur ja nicht den Verdacht zu erregen, man hege Sympathien für kurdische Forderungen. Heute verübelt man den Kurden, dass sie sich nicht so verhalten, wie es ihnen die Analysten im Außenamt immer nachsagten. Dabei wird es sicherlich nicht bleiben. Dem ersten Schrecken dürfte die Einsicht in die Notwendigkeit folgen, gute Beziehungen zu unterhalten.