MLer mit Knarren

Anhänger einer linken bewaffneten Gruppe in Italien festgenommen von catrin dingler

Wieder einmal wird in Italien gegen »Links­terrorismus« vorgegangen. Am Montag der vergangenen Woche wurden zwi­schen Turin, Mailand, Padua und Triest 15 Menschen fest­ge­nom­men, gegen mindestens 80 weitere Personen wurde ein Ermittlungs­verfahren eingeleitet. Für die Staats­anwalt­schaft Mailand steht fest, dass die Festgenom­menen zum Partito comunista politico-militare (PCPM) gehören, der als eine Nach­folgeorganisation der Brigate Rosse (BR) anzusehen sei.

Da seit Beginn des Jahres auch in den Massenmedien fortwährend an das »Terrorjahr« 1977 erinnert wird, kann die Rechte umso leichter auf ein seinerzeit erfundenes Theorem zurückgreifen, das die gesamte linke Bewegung der siebziger Jahre auf die Gruppen des bewaffneten Kampfs reduzierte, um heute jeglichen sozialen Protest zu kriminalisieren. Die institutionelle Linke, ihre Parteien und Gewerkschaften – über die Hälfte der Verhafteten sind Mitglieder der größten italienischen Gewerkschaft Cgil – befinden sich hingegen 30 Jahre später erneut unter dem alten Zwang, sich abgrenzen zu müssen.

Die Behörden geben an, durch die groß angelegte Polizeiaktion eine für das Frühjahr geplante Serie von Anschlägen vereitelt zu haben. Den Auftakt hätte ein für Ostern geplanter Brandanschlag auf die Redaktionsräume der rechtsliberalen Tageszeitung Libero bilden sollen. Ähnliche Anschläge auf eine Niederlassung des Energiekonzerns Eni, auf die Fernsehanstalten Sky und Mediaset und auf eine Villa von Silvio Berlusconi wären angeblich gefolgt. Vor allem ein geplantes Attentat auf den Arbeitsrechtler und Gewerkschaftskritiker Pietro Ichino sowie das Vorhaben, dem Unternehmer Luigi Roth in die Beine zu schießen, stünden in der Tradition brigadistischer Anschläge, sagte ein Polizeisprecher.

Allerdings wurde bisher keine dieser mutmaßlichen Aktionen einer der verhafteten Personen zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft spricht von einer »präventiven Untersuchung«. Ihre Anklage lautet auf »Bildung einer subversiven Vereinigung« und »Gründung einer bewaffneten Bande«. Die einzige Straftat, für die die Gruppe aus Padua bislang verantwortlich gemacht werden kann, ist ein Brandanschlag auf das Parteilokal der rechtsextremen Forza Nuova im November 2006. Außerdem wurden bei Polizeieinsätzen in mehreren Städten umfangreiche Waffen­arsenale beschlagnahmt.

Tatsächlich stammen nur zwei der älteren Festgenommenen aus den militanten Gruppen der siebziger und achtziger Jahre. Die anderen sind wesentlich jünger, sie kommen aus dem Umfeld der centri sociali, und zwar aus dem Zentrum »Gramigna« in Padua und dem »Panetteria« in Mailand. Unter den acht Cgil-Mitgliedern, die verhaftet wurden, sind fünf in der radikalen Metallgewerkschaft Fiom tätig. Für die Staatsanwaltschaft gilt der PCPM als »bewegungsorientiert«. Trotz klarer militärischer Struktur und streng marxistisch-leninistischer Ausrichtung habe die Gruppe auf die Beteiligung der Massen am bewaffneten Kampf gesetzt und deshalb die Nähe zu den Fabrikarbeitern sowie zu den sozialen Bewegungen gesucht.

Die Gruppe PCPM scheint nicht so isoliert zu sein, wie linke Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre beteuern. In Mailand wurden inzwischen vier weitere Personen festgenommen, während sie Solidaritätsbekundungen für die Inhaftierten plakatierten. In Padua tauchten auf der eigens einberufenen Vollversammlung der Fiom Flugblätter auf, auf denen die sofortige Freilassung der compagni gefordert wurde. Alles deutet darauf hin, dass sich die Linke auch durch Repression nicht völlig einschüchtern lässt.