Die Ingenieurin der Revolution

Kubas First Lady ist tot

Haydée Santamaría, Celia Sánchez und Vilma Espín, so heißen die drei großen Frauen der kubanischen Revolution. Und mit Vilma Espín, der Frau von Raúl Castro, ist auch die letzte der drei, die First Lady der Revolution, am Montag voriger Woche in Havanna gestorben. Vilma Espín war nicht nur Schwägerin von Fidel Castro, sondern trat auch öffentlich an dessen Seite als primera dama der Insel auf. Das war nicht allein ihrem politischen Einfluss als ranghöchste Frau im kubanischen Establishment geschuldet, sondern auch der Abneigung Dalia Soto del Valles, der Ehefrau Fidel Castros, in die Öffentlichkeit zu treten.

Vilma Espín war hingegen eine öffentliche Person der Revolution. Nicht erst mit dem Sieg der Bärtigen um Fidel Castro 1959 stieß die aus Santiago de Cuba stammende Frau zu den Revolutionären. Bereits 1953, nach dem Sturm auf die Moncada-Kaserne, dem Beginn der kubanischen Revolution, hat sich die Tochter eines angesehenen Anwalts auf die Seite der Aufständischen geschlagen.

Das war keine Selbstverständlichkeit, denn ihr Vater gehörte als einstiger Geschäftsführer der Bacardi-Destillerie eher zum konservativen Establishment als zum sozialkritischen Bildungs­bürgertum. Gleichwohl erhielt die Tochter alle Chancen. Nach ihrem Studium an der Universität in Santiago de Cuba ging sie in die USA und ließ sich als eine der ersten Kubanerinnen am renommierten Massachusetts Institute of Technology zur chemisch-technischen Ingenieurin ausbilden.

Zurück in Kuba, nahm sie ihre alten Kontakte zur progressiven Studentenbewegung in Santiago de Cuba wieder auf. Schnell gelang es ihr, Kontakte zur Bewegung des 26. Juli zu knüpfen, die Fidel Castro mit seinen Getreuen nach dem gescheiterten Angriff auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba 1953 gegründet hatte. Wenig später gehörte Vilma Espín bereits zur nationalen Leitung der Untergrund­organisation, die den Widerstand gegen das Regime Batistas organisierte. Unter den Decknamen »Débora«, »Alicia«, »Mónica« und »Mariela« agierte sie für die Bewegung, reiste zu den Gebrüdern Castro ins Exil nach Mexiko und kämpfte 1958 gemeinsam mit Raúl Castro in der II. Frente Oriental »Frank País«.

Nach der Revolution und der Heirat mit der Nummer zwei des kubanischen Staats, Raúl Castro, war es Vilma Espín, die den Auftrag erhielt, die kubanischen Frauen für die Revolution zu gewinnen. Zu ihrem wichtigsten Instrument wurde die nationale Frauenorganisation, der FMC, dem derzeit rund vier Millionen und damit 90 Prozent der Kubanerinnen angehören. Sie gehören zu den Gewinnern der Revolution, denn zumindest de jure hat Espín 1976 die Gleichberechtigung der kubanischen Frauen durchgesetzt.

Das brachte der kubanischen Revolution im Ausland, vor allem in den Ländern des Südens, viel Ansehen, auch wenn der beinahe schon sprichwörtliche kubanische Machismo beileibe nicht verschwunden ist. Er feierte in den neunziger Jahren mit dem Aufkommen der Prostitution Wiederauferstehung. Gleichzeitig sank auch der gesellschaftliche Einfluss des FMC und seiner Präsidentin, die trotz ihrer Mitgliedschaft in Staatsrat und Politbüro immer mehr zur symbolischen Figur wurde. Der Grund dafür war einfach: Der FMC hat immer weniger Möglichkeiten, um zu gestalten. Und er reagierte hilflos auf das Phänomen der Prostitution. So genannte Umerziehungslager für die jineteras, so werden die Prostituierten in Kuba genannt, wurden Ende der neunziger Jahre eingerichtet – mit der Billigung von Kubas oberster Feministin.

knut henkel