Ebba Durstewitz und Jakobus Siebels im Gespräch über ihre Band JaKönigJa und Brian Wilsons Hände

»Eine reine Heraussprudelangelegenheit«

Die Sängerin Ebba Durstewitz von JaKönigJa und der Multiinstrumentalist und Maler Jakobus Siebels im Gespräch über die Unmöglichkeit, ihre Band zu verorten, deutsche Texte und Brian Wilsons Hände.

JaKönigJa sind die vielleicht eigenwilligste deutsch­sprachige Popband. Seit vielen Jahren gibt es sie bereits, dabei sind sie nie über den Status einer Liebhaberband hinausgekommen. Zu verquer sind sie wohl, zu ungewöhnlich im Vergleich mit allem, was sonst noch zwischen Hamburger und Berliner Schule passiert. »Kammerpop« wird ihre Musik – auch ge­gen ihren Willen – gerne genannt, weil sie intim ist, weil viel mit Streichern gearbeitet wird und weil die Texte etwas von klassischer Poesie haben. Eben ist mit »Die Seilschaft der Verflixten« die neue Platte des Duos erschienen.

Habt ihr eigentlich keine Angst, dass euch als politische und poetische Band in der heutigen Zeit kein Mensch mehr versteht? Die alten Popdiskurszelte sind ja scheinbar längst abgebrochen.

Ebba Durstewitz: Wir sind fest davon überzeugt, dass unserer Musik durchaus zu folgen ist. Vorausgesetzt, man versetzt sich so unvorbelastet und aufnahmewillig wie möglich in sie hinein und versucht sie so zu hören, wie man ein fremdsprachiges Album hören würde. Bei uns kam die Musik immer an erster Stelle. Sie ist das, was uns am leichtesten fällt und am wichtigsten ist. Die Musik ist eine reine Heraussprudelangelegenheit. Was die Texte betrifft, so sind die zum größten Teil eher assoziativ und spontan, immer auf der Basis meines Erlebten.
Was andere mit den Texten machen, liegt weder in meiner Hand noch würde ich da etwas vorgeben wollen. Ich glaube auch, dass die Konzentration auf den Text eher eine Spezialität von deutschsprachigen Fragestellern ist. Würden wir Englisch singen, würde nicht halb so viel auf die Texte eingegangen.
Über »Popdiskurszelte« haben wir uns übrigens noch nie Gedanken gemacht, weshalb wir ja in den Neunzigern im Hamburger Volksmund nicht selten die kleinen, aber dafür irren und nied­lichen Doofis waren.

Meiner Wahrnehmung zufolge produziert ihr eine Art Modal-Pop. Auf simplen Akkordverbindungen fliehen, drängen und transformie­ren sich die Songs in alle möglichen Richtungen. Das Erstaunliche ist: Die Sprache kommt da immer mit. Wie komponiert man denn so was?

Ebba Durstewitz: Wie man das komponiert, vermag ich auch nicht genau zu sagen – es ist irgendwann einfach da. Hier die Musik, dort der Text. Die Musik sucht sich ihren Text aus, der Text sich seine Musik. Und wir müssen dann nur noch aufpassen, konsequent zu bleiben, keine Zugeständnisse zu machen.

Jakobus Siebels: Musik zu komponieren, fällt uns wie bummelige Baumpflaumen einfach in den Schoß. Instrumentalplatten könnten wir am Fließband produzieren.
Wenn ich mich daransetze, etwas zu komponieren, muss ich nur die Tuba, das Banjo oder die Mandoline in die Hand nehmen, und dann geht das Komponieren erfahrungsgemäß nach ein paar Sekunden von selbst los. Ich habe noch nie zu der Fraktion gehört, die im stillen Kämmerlein sitzt und versucht, nach irgendwelchen Büchern die Beatles oder Stones nachzuspielen. Und mein Können reicht erst recht nicht aus, um BartÔk oder Bach zu genügen. Aber eben durch dieses Unvermögen, wenn man es denn so nen­nen will, kann zwangsläufig nur etwas Eigenes entstehen.
Ich will bestenfalls gar nicht erst versuchen, ein Instrument vollkommen zu beherrschen, sondern eher mal wie Brian Wilson die Finger selbst entscheiden lassen, wo sie sich auf dem Instrument platzieren möchten. Ich habe mich sehr bestätigt gefühlt, als ich eine Brian-Wilson-Dokumentation gesehen habe, in der er erklärt, wie er »In My Room« komponiert hat.

Wenn ich mich recht erinnere, sagte Brian Wilson in der Dokumentation, dass er die Sprei­zung seiner Hände bei den Akkorden ein­fach schön fand. Spielt Schönheit bei euch eine Rolle in der Wahl der Worte, der Instrumente, der Musik? Atonalität zum Beispiel kann ja auch schön sein.

Jakobus Siebels: Ja, nicht die klassische Schönheit, sondern eher die Schönheit, bei der die Nase ein bisschen zu lang, der Mund ein bisschen zu breit ist oder die Ohren etwas zu sehr abstehen. Die »gebrochene Schönheit« ist immer interessanter.

Ebba Durstewitz: Dissonanzen können wahnsinnig schön sein. Ein Blockflötensatz kann sehr schön sein, eine einzelne Blockflöte wiederum nicht so. Und ordentlicher Quatsch, Übertreibung, Überfluss – das kann ja überhaupt das Schön­ste sein.

JaKönigJa lässt sich in Deutschland schwer zu­ordnen. Es gibt zwar Verbindungen zur Hamburger Schule, aber JaKönigJa ist mit Sicherheit nicht die erste Band, die den Menschen bei diesem Begriff einfällt. Da ihr Musiker seid, pfeift ihr vermutlich auf jede Schublade, aber gäbe es vielleicht doch eine, in die ihr euch gerne reinlegen lassen würdet?

Ebba Durstewitz: Vielleicht gibt es tatsächlich eine feine, irre schöne Kommode, in der wir gerne für alle Zeit liegen täten. »Kammerpop« heißt sie definitiv nicht! Bislang hat uns noch niemand auf sie aufmerksam gemacht, und wir selbst tun uns auch nicht gerade leicht mit der Eigenetikettierung. Es gibt nur so etwas wie eine Konstante in der Rezeption, Bemerkungen wie: »Das klingt nach etwas ganz Altem und ganz Neuem zugleich.«

Ich habe euch neulich live in der Volksbühne in Berlin gesehen und fand den Unterschied zwischen Studio- und Liveumsetzung schon extrem. Ihr bräuchtet vermutlich mindestens eine zehnköpfige Band plus Streicher plus Bläser­satz, um den Studiosound zu realisieren.

Jakobus Dietels: Wir stehen nach der Fertigstellung einer Platte tatsächlich jedes Mal vor der großen Frage: »Wie soll man diesen ganzen Wahnsinn live umsetzen?« Eine Posaune klingt eben nicht wie sechs Posaunen; eine Geige macht noch kein Streichquartett, selbst wenn man sie durch eine zehngliedrige Effektkette schickt. Aber trotzdem: Ich bin der Meinung, eine Band darf live gerne völlig anders klingen als auf Platte. Wenn wir ver­suchten, unsere Produktionen eins zu eins nach­zuspielen, könnten wir das Thema Konzerte gleich abhaken. Selbstverständlich sähen wir nicht ungern ein Orchester mit uns auf der Büh­ne, jedoch geht es in erster Linie immer noch um die Songs. Und die müssen auch funktionie­ren, wenn sie ausschließlich auf dem Klavier dargeboten werden würden.

JaKönigJa: Die Seilschaft der Verflixten (Buback)