Die Streetwear-Messe Bread&Butter

Die Mode von gestern für morgen

Ein Besuch der Streetwear-Messe Bread & Butter

Vor dem Flughafen Tempelhof bilden sich Schlangen hupender Taxis, Polizisten regeln das Verkehrschaos, und Tausende junger Menschen mit Rollkoffern, Sonnenbrillen im Haar und Kameras um den Hals steuern auf das gut bewachte Gebäude zu. Die Bread & Butter-Modemesse »küsst die alte Schönheit wach, und damit startet Tempelhof in eine neue Ära«. Dieses »Wachküssen« verlief ziemlich unsanft, und das lag nicht nur daran, dass zur Eröffnung der Modemesse Mitte voriger Woche nach einem Gongschlag »Hells Bells« von AC/DC aus den Lautsprechern dröhnte. Mit den Worten »We are happy and proud« begrüßten Klaus Wowereit und Karl-Heinz Müller die geladenen Gäste der Opening-Party, während vor der Columbiahalle eine sehr überschaubare Anzahl von Demonstranten mit Plakaten wie »Vermietung für 0 Euro?« noch einmal klarstellte, dass die Kombination Bread & Butter und Tempelhof in Berlin nicht bei allen Euphorie auslöst. Klaus Wowereit hat den »Coup« quasi im Alleingang durchgezogen und düpierte dabei nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch die Senatorin für Stadtentwicklung, die einen Ideenwettbewerb für die Nachnutzung des Flughafens ausgeschrieben hatte.
Auf der Pressekonferenz reagierte der Chef der Modemesse auf Nachfragen zu den genauen Konditionen des Mietvertrags ungehalten und verriet lediglich, dass die Verhandlungen schon nach zwei Wochen abgeschlossen waren und die Streetwear-Messe für die nächsten zehn Jahre jeweils im Sommer und Winter das Flughafen­areal nutzen wird, mit einer Option auf weitere zehn Jahre. Die Nutzung des flächenmäßig viertgrößten Gebäudes der Welt ist also langfristig angelegt, in der Logik der hektischen Modebranche könnte man bei 20 Jahren fast von einer Ewigkeit sprechen. Ob man die zwei Monate der Modemesse im Jahr als besonders nachhaltiges Konzept werten kann, ist die eigentlich relevante Frage. Der Bürgermeister entzieht sich der Kritik mit dem Hinweis auf den gigantischen Erfolg der Messe, von der ganz Berlin profitiere, und nennt Taxifahrer, Messebauer und die Werbeindustrie. Burkhard Kieker, Chef der Berlin Tourismus Marketing GmbH, bezeichnet die Rückkehr der zwischenzeitlich nach Barcelona ausgewichenen Messe nach Berlin als »Geschenk des Himmels«.
Flug- und Himmels-Metaphern, wohin man schaut. Auch bei der Gestaltung des Eingangsbereichs hatten die Kreativen die ziemlich naheliegende Idee, »Flughafen zu spielen«, und das modebewusste Fachpublikum ist für diese Inszenierung bestens präpariert. Alle Schalter in der Abfertigungshalle sind besetzt, und die Besucher aus Italien, der Türkei oder Japan reihen sich mit ihren Rollköfferchen in die Schlange für die Registrierung ein. An den Anzeigetafeln leuchten keine Abflugs- und Ankunftszeiten, sondern die Namen der unterschiedlichen Areas der Messe, wie »Street Fashion«, »Urban Superior« oder »Style Society«. Die Passkontrolle wird vom Servicepersonal überaus gewissenhaft durchgeführt, und das nicht nur beim Betreten, sondern auch beim Verlassen der Messe und an wirklich jedem einzelnen Stand der 550 Aussteller.
Müller begründet diesen exzessiven Scannereinsatz mit den Worten: »Wir haben unsere Türkontrollen recht streng gehandhabt, um die Qualität der Fachbesucher sicherstellen zu können.« Das zielgruppengerechte Publikum zwischen 15 und 25 akzeptiert das Prozedere als Ehrung, die wenigen älteren Besucher reagieren auf diesen Wahnsinn mit Unbehagen. Ein Vater erklärt seinem kleinen Sohn mit gequältem Gesichtsausdruck, dass an der Supermarktkasse ja auch alles gescannt wird. »Ich auch?« fragt der Kleine.
Auch mit dem Messetermin Anfang Juli demonstriert die Modemesse Macht. Mit dem frühen Termin setzt Müller die Mercedes-Benz-Fashion-Week und die kleinere, exklusivere Premium unter Druck, dies sich zeitlich eigentlich am internationalen Modereigen orientieren wollten. Mit dem Ergebnis, das viele kleine Labels ihre Kollektionen nicht fertigstellen konnten und ihre Teilnahme an der Fashion Week absagen mussten. Die Bread & Butter-Messe präsentiert Alltagsmode von überwiegend großen und etablierten Marken wie G-Star, Miss Sixty, Marc O’Polo und Ed Hardy, mit Avantgarde hat das wenig zu tun. Vielleicht liegt es auch an der Rezession, dass die Mode von gestern die Mode von morgen ist. Wir können uns rosa Jeans und neongrüne Sneaker kaufen, T-Shirts mit David-Bowie- oder Debbie-Harry-Porträt tragen, Jumpsuits nach dem Yogakurs einfach anbehalten oder der Depression mit ordentlich L.A.-Bling-Bling trotzen. Besser ist, wir lassen das und machen im Sommer 2010 schlauere Dinge, als uns beim Shoppen zu Tode zu langweilen. Angst vor Eintönigkeit mag auch der Grund sein, warum der Veranstalter und die Aussteller sich verstärkt auf den Eventcharakter der Messe und weniger auf die Inszenierung von Mode konzentrierten.
Das Erscheinungsbild des Flughafens wurde vom Luna Park dominiert, mit seinem Rollrasen, einem künstlichen Teich, Golfcaddies, Massage-Service und umfangreichen, gerne von Kellnerinnen im Dirndl servierten Catering­angeboten lieferte er eine seltsame Mischung aus Wellness­oase, Freizeitpark und Volksfest inmitten der Betonwüste des Flugfelds. Gerettet wurde das Ambiente von guten DJs, die auf der überdimensionalen Bühne manchmal etwas verloren wirkten und stündlich gegen das Motorengedröhn von »Wheel of Death« bei Wrangler ankämpfen mussten. Nicht nur Motorräder, auch die vom Technikmuseum geliehene Douglas C-54 Skymaster, die Militärfahrzeuge, die in der Ausstellung »Hidden Secrets« am Ende der letzten Halle präsentiert wurden, und die Lamborghinis bei Ed Hardy entwickelten sich zu Anlaufstationen für Erinnerungsfotos. Die Macher der Modemesse nutzten das Thema Flughafen-Marketing, und manchmal gelang ihnen großes Pathos. Im Winter, vom 20. bis zum 22. Januar, wird das Entertainment wahrscheinlich schwieriger. Aber vielleicht spendiert die Stadt Berlin der Messe neben Glaswänden und Heizsystemen ja noch eine Eisbahn oder Indoor-Kletterwand, damit sich die internationale »Style Society« fernab aller Öffentlichkeit präsentieren kann.