Twitter-Pogrom in Kairo

Brennende Kirchen, Schüsse, Steinwürfe. Die Kämpfe zwischen radikalen Muslimen, Christen und der Armee im Kairoer Arbeitervorort Imbaba am Sonntag enden mit zwölf Toten und mehr als 250 Verletzten. In Ägypten war es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Muslimen und der Minderheit der koptischen Christen gekommen. Auslöser der jüngsten Unruhen waren offenbar mittels Twitter verbreitete Gerüchte über eine zum Islam konvertierte Christin, die gegen ihren Willen in einer Kirche festgehalten werde. Gruppen von radikalen Salafiten ziehen daraufhin zur Kirche in Imbaba, zünden sie an. Heftige Straßenschlachten folgen, die das Militär und Spezialeinheiten der Polizei schließlich beenden. 190 Menschen werden festgenommen.
Einige Hundert Kopten ziehen vor die Botschaft der USA und fordern Schutz von der »internationalen Gemeinschaft«. Mehrere Tausend Menschen versammeln sich zeitgleich vor dem staatlichen TV-Gebäude am Nilufer in Maspiro, blockieren die Straße – gegen die Gewalt zwischen Christen und Muslimen, vor allem aber gegen die Militärregierung. Riot-Cops stürmen in die Kundgebung, greifen Leute heraus, Steine fliegen. Die Protestierenden bleiben über Nacht. Schuldzuweisungen folgen: Die islamistische Muslimbruderschaft verurteilt die Anschläge. Eine Gruppe von Salafiten wehrt sich gegen die Vorwürfe und macht Schlägertrupps für die Gewalttaten verantwortlich, die von der ehemaligen Staatspolizei bezahlt würden. Anwohner erklären, die Angreifer seien zum großen Teil nicht aus Imbaba gewesen. Das Militär ruft zur Einheit auf, weist die Schuld ausländischen Kräften zu, die das Land destabilisieren wollten. Und die Kopten kritisieren die Regierung: Die Polizei habe stundenlang nicht eingegriffen, das Militär, schimpfen Einzelne, habe Abmachungen mit den Muslimbrüdern getroffen, die bei den Wahlen im September vermutlich einen Großteil der Sitze gewinnen werden, und lasse die Konflikte deshalb eskalieren.