Scheiße unterm Stiefel Italiens

Nicola, das massige Oberhaupt der Familie Ciraulos, liegt von drei Pistolenkugeln tödlich getroffen auf dem Wohnzimerboden. Um die Leiche gruppieren sich Großvater Fonzio, Großmutter Rosa und die Witwe Loredana. Sohn Tancredi hat sich im Klo verschanzt. Er wartet auf die Polizei, hängt düsteren Gedanken nach und kann sich, obwohl er allem Anschein nach der Mörder ist, keinen rechten Reim aufs Vorgefallene machen. Wir befinden uns in Palermo. Die Ciraulos gehören zur Unterschicht der süditalienischen Gesellschaft.
Roberto Alajmo, selbst wohnhaft in Palermo, kennt sich aus im Milieu der sozial Schwachen, mit mafiösen Strukturen freilich auch. Der Le­ser erfährt viel über Lethargie und Hoffnungs­losig­keit, über archaisch anmutende Familienstrukturen und regionaltypische Abhängigkei­ten von Menschen mit Macht und sehr viel Geld. Mit einem ausgeprägten Gespür für Situationskomik entwickelt der 1959 geborene Autor seine Geschichte nicht zuletzt anhand eines minutiös beschriebenen Familienalltags, dessen eingefleischte Kommunikationsrituale an Redundanz und Aussichtslosigkeit kaum zu überbieten sind. Da muss man dann an absurde Stücke Samuel Becketts denken oder an die subtil komischen Romane von Magnus Mills. Wie nennt man eigentlich eine Familie, die den Sohn ins Gefängnis schickt, damit der eigene Lebensstandard nicht noch tiefer rutscht?

Roberto Alajmo: Es war der Sohn. Hanser, München 2011. 296 Seiten, 19,90 Euro